Manege frei: Flüchtlingskinder werden bei Zirkus-Freizeit in Meppen zu Akrobaten
Vorletzte Woche ging es turbulent und bunt zu in der Jugendherberge in Meppen. 32 Flüchtlingskinder waren zu Gast und haben von Sonntag bis Freitag am ersten Zirkus-Workshop der Jugendherbergen im Nordwesten teilgenommen. Lest jetzt mehr über das zauberhafte Treiben und darüber, was die fünf Teamer mir über ihre Arbeit bei dieser besonderen Freizeit erzählt haben.
Es war schon von Weitem zu hören und beim Betreten auch für mich dann nicht zu übersehen: ein ungewöhnlicher Nachwuchs-Zirkus gastierte in der Jugendherberge Meppen. In einem großen, vollverglasten Raum wurde wild geturnt, jongliert oder auf Laufbällen balanciert.
Die Nachwuchs-Akrobaten waren allesamt Flüchtlingskinder zwischen 6 und 16 Jahren aus den unterschiedlichsten Ländern: Russland, Albanien, Tschechien, Mazedonien, Serbien, Syrien oder Montenegro. Ein quirliger Mix aus Jungen und Mädchen. Einige von ihnen sind erst seit Kurzem in Deutschland, einige aber auch schon mehrere Jahre. Heute leben sie alle rund um Meppen, wo sie auf unterschiedlichste Weise untergebracht sind.
Dass es bei dem bunten Treiben laut und lebendig zuging, lag zum einen am Spaß, den alle miteinander und am Programm hatten, aber auch daran, dass die unterschiedlichen Sprachen versuchten, sich gegenseitig in ihrer Lautstärke bei der Kommunikation zu übertrumpfen. Für die fünf Teamer – Leonie, Melanie, Ammelie, Manu und Markus – sowie Zirkuspädagogen Johann gab es alle Hände voll zu tun. Doch schnell klappte es mit der Verständigung, denn knapp die Hälfte der Kinder, so erzählte mir Leonie spricht Deutsch – zwei der Kinder spielten dabei die Übersetzer für diejenigen, bei denen die Sprachbarriere noch etwas größer ist.
Das musste sich allerdings zu Beginn einspielen. Der erste Tag nach der Ankunft war noch nicht ganz so geordnet und die Kommunikation noch schwierig. Für die Teamer stellte sich die große Frage: „Was können wir mit den Kindern jetzt machen, die sich nicht alle kennen und auch nicht alle untereinander verständigen können?“ Eine der ersten Ideen war dabei das „Klatschspiel“. Nicht viel zu erklären, einfach die „Klatscher“ weitergeben. „Das klappte anfangs super“, so berichtet Ammelie, „doch die größeren der Kinder, die ja schon so 15 Jahre alt sind, konnten wir damit nicht mehr so sehr begeistern.“ Alle unter einen Hut zu bekommen und den Spaß, aber auch die Ordnung für alle gleichermaßen zu erhalten, war für die fünf Teamer in dieser Freizeit eine große Herausforderung. Die sie meisterten!
Im Laufe der Woche entwickelte sich eine gute Struktur: In der Zeit von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr gab es für alle die zwei Highlight-Stunden des Tages, wenn Johann mithilfe der Teamer alle möglichen Zirkus-Übungen mit den Kinder übte. Balancieren auf großen Laufbälle sowie Seiltanzen, Diabolos durch die Luft wirbeln oder Teller drehen waren nur ein paar der tollen Attraktionen, die Johann für die Woche im Gepäck hatte. Auch die magische schwarze Box war ein absoluter Aufmerksamkeitsmagnet für alle. Jeder wollte hinein und „zerstochen oder zerschnitten“ werden, wie es die großen Zauberer in ihren Shows machen. Den Trick durchschaut hatten dabei alle schnell, es Neuankömmlingen wie mir zu zeigen, machte dann umso mehr Spaß. Geübt wurde alles natürlich für die finale Aufführung, zu der die Familien der Kinder und auch die anderen Besucher der Jugendherberge am Freitag eingeladen wurden.
Die Nachmittage hatten ebenfalls besondere Highlights, die immer mit den Kindern am Abend vorher abgestimmt wurden: Volleyball spielen, tanzen oder auch schwimmen gehen gehörte dazu. Ein weiteres Highlight waren tolle Trikots und Sport-Kleidung, die als Spende organisiert wurden und natürlich bei den Kindern und auch am Freitag bei der finalen Aufführung vor den Familien für große Augen und die ein oder andere Freudenträne sorgen sollten.
Für die Teamer selbst, so sagt Leonie, war vor allem eins wichtig bei der Arbeit mit so vielen unterschiedlichen Kindern: „Wir Teamer müssen alle harmonieren und uns gegenseitig aufeinander verlassen können. Außerdem ist es wichtig, dass wir bei den Regeln alle an einem Strang ziehen, damit alle die Grenzen kennen und es keine Diskussionen gibt.“ Diese Grenzen haben die Kinder gerade am Anfang, so erzählen die anderen Teamer, ausführlich getestet. Doch für alle fünf ist eines klar: „Die Kinder haben hier in so kurzer Zeit eine so tolle Entwicklung durchgemacht, dass ist so schön zu sehen.“ Ein Beispiel dafür erzählte mir Ammelie: „Als wir den ersten Tag zusammen gegessen haben, haben sich einige Kinder, die zu Hause zu zehnt zusammenleben, den Teller so voll geschaufelt. Jetzt nach ein paar Tagen wissen sie, dass sie sich ihr Essen nachnehmen dürfen. Das können wir uns so gar nicht vorstellen.“
Bei Projekten wie diesen steht natürlich oft die Frage im Raum, wie sie überhaupt zustande kommen und wer der Ideengeber war. Daher möchten wir hier noch etwas zu dieser Frage nachtragen: Die Idee, eine Freizeit nur für Flüchtlingskinder zu gestalten, stammt in ihrem Ursprung von Herrn Forbriger, der Mitglied im Aufsichtsrat der Jugendherbergen im Nordwesten ist. Mit der Idee ist er an zwei weitere Mitarbeiter der Geschäftsstelle in Bremen herangetreten, an Biggi Hägemann als Projektentwicklerin und Oliver Engelhaft als Leiter des Marketings. Zu dritt wurde die Idee reifer und ein Programm zur Umsetzung entwickelt. Dazu wurde mit der zuständigen Stadt, dem zuständigen Bürgermeister, Schule, Verbänden und Vereine kontaktiert, um die Teilnahme der Flüchtlingskinder überhaupt erst einmal zu ermöglichen. Außerdem musste natürlich die Finanzierung des Projekts organisiert werden, die der Landesverband der Jugendherbergen im Nordwesten übernommen hat zusammen mit Spenden, die aus einem Zeitungsaufruf resultierten. Wie berichtet hat es zudem eine Spende von Trikots und Sportklamotten gegeben, die durch einen Spendenaufruf in der lokalen Zeitung sowie durch die Kontaktaufnahme mit dem Kreis-Fußballverband Emsland zustande kam. Darüber hinaus wurde die Grafschaft Bentheim bei dem Spendenaufruf zu der Kleidung ebenfalls mit einbezogen. Es steckte also eine Menge Organisation und Engagement in diesem Projekt und durch den großen Anklang und das positive Feedback von allen Seiten entschied man sich, die Zirkus-Freizeit für 15 weitere Flüchtlingskinder in der Zeit vom 30. August bis 2. September 2015 zu wiederholen, die ein ebenso großer Erfolg war.
Übrigens: Ab nächstem Jahr wird es auch für Schulklassen eine Zirkusfreizeit in der Jugendherberge Meppen geben. Wer schon jetzt ein paar Informationen dazu bekommen oder sich anmelden möchte, findet weitere Informationen hier.
Text: Lena Kuhmann
2 Kommentare;
Schreibe einen Kommentar: