Viertklässler verbringen „Walnacht“ in Bremen

Das aufgeregte Stimmengewirr ist bis hinein ins Schiff zu hören, obwohl die 18 Viertklässler noch oberhalb der Schlachte, direkt vor der Jugendherberge Bremen stehen. „Ich glaube, ich seh einen“, ruft ein Junge und sein Finger zeigt auf die dunkle Weser. Die Mädchen haben dafür gerade gar kein Ohr. „Echt? Wir schlafen wirklich da unten auf dem Schiff?“ wollen sie von ihrer Klassenlehrerin wissen.

Es ist Freitagabend, 19.30 Uhr. Gleich beginnt für die Klasse 4 B der Bremer Grundschule Alfred-Faust- Straße ein Ausflug aufs Wasser, bei dem sich alles um die Welt unter Wasser dreht: die „Nacht der Wale“. Es ist das fünfte Mal, dass die Meeres AG von Greenpeace Bremen und die Jugendherberge Bremen die für Schulklassen kostenlose Veranstaltung auf die Beine stellen. Das gemeinsame Ziel: Schulkinder für den Schutz des Meeres und seiner Bewohner sensibilisieren. Der besonders Clou ist der Ort für die Veranstaltung. Die Kinder verbringen den Abend und die ganze Nacht direkt auf der Weser, auf dem Gästeschiff der Jugendherberge. Und das sorgt jedes Mal für reichlich Aufregung und Spaß.

Jugendherberge Greenpeace Wale 2

Mit großen Augen und aufgeregtem Durcheinander-Rufen entern die Schülerinnen und Schüler auch an diesem Abend ihr außergewöhnliches Schlafzimmer. Zwei Kajüten für die Lehrerinnen stehen bereit, zwei große Räume mit Kojen für die Kinder. Während die einen noch skeptisch sind, ob sie durch Wellengang nicht vielleicht aus den Hochbetten herausrollen könnten, haben die anderen die oberen Matratzen bereits gekapert.

Jugendherberge Greenpeace Wale 4

Schnell habe alle ihren Schlafplatz für die Nacht gefunden, die Straßenschuhe gegen dicke Socken oder Hausschuhe getauscht und sich einen Platz am aufgebauten Gruppentisch gesucht. Stefan Schorr von der Meeres AG hat gerade seinen ersten Satz zuende gesprochen, da platzt es aus Karim heraus: „Sehen wir heute auch echte Wale?“ Sein Klassenkamerad drehte ich zu ihm um: „Ich habe vorhin schon welche gesehen, glaub ich“. Stefans diplomatische Antwort: „Ich verrate Euch nachher, wann Ihr auf jeden Fall die größten Chancen habt, welche zu entdecken.“ Und dann beginnt er mit seinem Vortrag.

Schnell ist klar, dass diese Klasse bereits Vorwissen über Wale mitbringt. Im Unterricht haben sie schon den Jugendroman „Sams Wal“ gelesen und können viele von Stefans Fragen beantworten. Aber sie erfahren auch einiges, was sie noch nicht wussten. Dass Buckelwale bis zu 20 Minuten am Stück singen, zum Beispiel. Wie sich Walgesänge anhören, spielt Stefan ihnen sogar vor. Die Kinder lachen: „Das hört sich an wie Pupsen.“

Warum Schweinswale inzwischen auch wieder in der Weser zu sichten sind, lernen die Schüler ebenfalls: Die Fischarten Finte und Stint gehören zu den Leibspeisen der Schweinswale. Beide ziehen zwischen März und Mai zum Laichen die Weser hinauf – und die Schweinswale ziehen hungrig hinterher. „Daher ist das auch die beste Zeit, nach Schweinswalen Ausschau zu halten“, erklärt Stefan den lauschenden Viertklässlern. Was man tun sollte, wenn man tatsächlich einen entdeckt hat, weiß er auch: „Ihr könnt Denise Wenger bescheid geben. Sie notiert seit 2007 die Sichtungen von Schweinswalen, zeigt sie auf einer Website und freut sich immer über Hinweise.“

Nach der Theorie ist Zeit, wieder in Bewegung zu kommen. Die leicht auf ihren Stühlen hin- und herzappelnden Kinder nehmen den Vorschlag, bei einem Quiz ihr Wal-Wissen unter Beweis zu stellen, mit Feuereifer an und springen sogleich auf. Überall auf dem Schiff hat das Greenpeace-Team Hinweistafeln versteckt, die beim Rätsel helfen. „Wie tief können Wale maximal tauchen?“, „Warum sind Fischernetze für Wale gefährlich?“ und weitere Fragen gilt es zu beantworten. Es wird eifrig gesucht, geschrieben und diskutiert. Am Ende haben alle die notwendigen Buchstaben für den Antwortsatz:

„Wale sind bedroht durch Klimaschutz und Überfischung!“

Es ist 23 Uhr, als die kleinen Wal-Experten im Schlafanzug in ihren Kojen liegen. Zum Einschlafen liest das Team der Meeres AG noch eine Passage aus dem Roman „Wale in Gefahr“ vor. Die einen schlafen langsam ein, die anderen flüstern und kichern noch weiter. Lehrerin Christiane Langer weiß aus Erfahrung, wie die erste Nacht bei jeder Schulfahrt verläuft: „Wenn die letzten einschlafen, wachen die ersten wieder auf“, sagt sie augenzwinkernd.

Der nächste Morgen. Die 18 Ausflügler laufen Über den Schiffsanleger zur Schlachte und hoch zur Jugendherberge. Das Frühstück wartet. Doch fast alle drehen sich oben angekommen nochmal um zur Weser. Da hinten… Das Dunkle da… Ist das nicht vielleicht doch ein Schweinswal?

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar: