Huch! Da steht ein Flugzeug vor der Jugendherberge…
Dürfen wir Euch zwei vorstellen: Ingo und Vincent. Zwei unserer Gäste, die sich auf den ersten Blick gar nicht Ähneln. Ingo ist 44, kommt aus Aurich, arbeitet als Entwicklungsingenieur und beschreibt sich selbst als „Kopfmenschen“. Vincent aus Rostrup drückt hingegen noch fleißig die Schulbank. Er ist erst 14 Jahre alt, pilgert mit seiner Familie dann und wann über den Jakobsweg und versprüht bei allem, was er tut und sagt, zuversichtliche Gelassenheit. Doch bei all diesen Unterschieden teilen sie eine große Leidenschaft: das Segelfliegen.
Beide sind Anwärter auf den Segelflugschein, Vincent im Luftsportverein Oldenburg-Bad Zwischenahn und Ingo im Luftsportverein Aurich-Ostfriesland. Aus diesem Grund waren sie in diesem Monat zusammen mit 33 anderen angehenden Piloten zum konzentrierten Lernen bei uns in der Jugendherberge Esens-Bensersiel. Dort haben sie über Luftfahrtkarten gebeugt Theorie gebüffelt: Luftrecht, Verhalten in besonderen Fällen, Navigation und Technik standen auf dem Programm. Und, na klar, Meteorologie.
„Wie ist das Wetter?“ ist eine wesentliche Frage beim Segelfliegen. Gemeint ist dabei vor allem die Temperatur und die Thermik, denn ein Segelflugzeug ist auf warme Luft, die nach oben steigt, angewiesen. Sie dient als Auftrieb, einen Motor gibt es nicht. „Luftgeräusche, sonst nichts. Nichts ist besser, um vom Stress abzuschalten“, schwärmt Ingo über die Ruhe, die sich um ihn herum ausbreitet, wenn er allein in einem Segelflieger durch den Himmel gleitet.
Berufswunsch: Pilot
Obwohl Vincent und er ihren Segelflugschein noch nicht in der Tasche haben, dürfen sie bereits ohne Begleitung fliegen – das gehört zur dreiteiligen Ausbildung dazu. Jeder, der den ersten Ausbildungspart, in dem der praktische Unterricht in einem doppelsitzigen Flugzeug absolviert wird, erfolgreich beendet hat, kann in einem Einsitzer abheben. „Ich muss allerdings noch Über dem Flugplatz bleiben“, erklärt Vicent. „Erst mit 16 Jahren bekommen Jugendliche die Erlaubnis, auch außerhalb der sogenannten Platzrunde unterwegs zu sein.“ 14 Alleinflüge zählt der Schüler seit seinem ersten Start vor gut acht Monaten. Gleich nach seinem 14. Geburtstag hat er mit der Ausbildung für den Flugschein begonnen – aus gutem Grund: Vincent möchte Berufspilot werden. „Ich habe lange darauf hingefiebert, endlich mit dem Fliegen beginnen zu können. Gleich nach meinem Geburtstag habe ich mich auf den Weg zum Flugplatz gemacht“, erinnert er sich. Und auch den Gedanken beim ersten Flug hat er nicht vergessen: „Wow, ich hab keinen Motor, aber fliege trotzdem.“
Diese Faszination kennt auch Ingo ganz genau. Beim ihm mischt sich noch bei jedem Start Adrenalin und Nervosität dazu, wie er erzählt. „Es ist einfach etwas anderes, wenn man in höherem Alter mit der Fliegerei beginnt. Als junger Mensch geht man noch viel intuitiver ran, aber gerade ich als Ingenieur bin da etwas verkopfter.“ Es sei daher immer ein gutes Zeichen, dass er inzwischen nicht mehr ständig auf die Anzeigen und Messgeräte im Innenraum schaut, sondern den Blick nach draußen genießt und sich auch auf sein Gehör verlässt. „Die Windgeräusche erzählen auch eine Menge vom Flug und vom Zustand des Flugzeugs“, ist Ingo Überzeugt. Diese wahrzunehmen ist dank des geringen Abstands vom Piloten zum Außenbereich nicht schwer: Die Kabine des Piloten ist sehr eng. Und für den Linkshänder Ingo eigentlich gar nicht ausgestattet: „Ich musste mich fürs Fliegen ein wenig umtrainieren, denn die Anordnung der Instrumente orientiert sich an den Gewohnheiten eines Rechtshänders.“
Fleißige Hände in der Werkstatt
Das war aber schnell gelungen und so verbringt auch Ingo jetzt nahezu jedes zweite Wochenende auf dem Flugplatz. Einen Teil der Zeit verbringt er in der Luft, den anderen mit der Instandhaltung und Pflege der Fluggeräte. Der Auricher ist auch gelernter Bootsbauer und weiß mit Leim, Kunststoff & Co. gut umzugehen. Daher packt er gern mit an: „50 Arbeitsstunden im Jahr sind auf dem Flugplatz für jedes Mitglied Pflicht, bei mir sind es gern mal doppelt so viele.“
Die Treffen mit Gleichgesinnten – ob in einem Fliegerlager oder bei einem Ausbildungswochenende – schätzen beide. „Ich bin aus meinem Jahrgang in der Schule der einzige, der sich mit Segelfliegen beschäftigt“, sagt Vincent. „Da ist es natürlich super, Menschen zu treffen, die das gleiche Hobby haben. Das Alter ist dabei völlig egal.“ Die Abende in der Jugendherberge Esens-Bensersiel haben in diesem Monat wieder bewiesen, dass die Gruppe sich auch über den offiziellen Unterricht hinaus viel zu erzählen hat: einzelne Grüppchen saßen auch spät noch gemeinsam am Kamin.
Wir freuen uns schon jetzt darauf, dass wir ins Esens auch im Februar wieder die 35-köpfige Gruppe aus Fluglehrern und -schülern begrüßen dürfen. Dann pauken der LSV Oldenburg-Bad Zwischenahn e.V., der Luftfahrtverein Wildeshausen-Ahlhorn e.V., die Fluggruppe JG 71R e.V., die Luftsportgesellschaft Waterkant-Zetel, der LSV Aurich Ostfriesland, der Luftsportverein Alte Ems, der Luftsportverein Papenburg und der Weser Luftsportverein Blexen nämlich gemeinsam weiter.
Falls Ihr Lust bekommen habt, das Segelfliegen einmal kennenzulernen, schaut auf den Flugplätzen der genannten Vereine vorbei. Falls Ihr das ganze Wochenende beim LSV Oldenburg-Bad Zwischenahn verbringen möchtet, heißen wir Euch natürlich gern in der dortigen Jugendherberge willkommen.
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