Segel setzen, fertig, los! Ein Tag an der DJH-Segelschule Bad Zwischenahn

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Für Peter war es ein Lebensziel: Wenn er in Rente geht, würde er Segeln lernen – so viel stand fest. Jetzt sitzt er in einem Zugvogel auf dem Zwischenahner Meer und fährt Manöver. Gemeinsam mit 24 anderen Teilnehmern verbringt er eine Woche an der ehrenamtlichen DJH Segelschule Bad Zwischenahn auf dem Gelände der Jugendherberge Bad Zwischenahn. Hier lernen sie, wie man Segel setzt, dass zu dem sportlichen Hobby ein ausgiebiges Frage-Antwort-Spiel gehört – und das Kentern auch Spaß machen kann. Vor allem, wenn man danach gemeinsam in den Sonnenuntergang schwimmt.

‚Büschen Wind is!‘, sagt Kai Bergheim und blickt auf das Zwischenahner Meer. Das glitzernde Wasser schwappt sanft an das Ufer, die Boote schaukeln am Anleger auf und ab. Die Sonne am Himmel steht hoch an diesem Mittwochmorgen, kurz vor zehn.

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Schönes Wetter, den ganzen Tag, bis zu 30 Grad, das haben sie im Radio angekündigt. Perfekt für einen erholsamen Tag im Ammerland. Fast zu schön jedoch für alle, die nicht nur an Ufer liegen, sondern die Segel hissen und Kurs nehmen wollen Richtung Segel-Grundschein: Am Samstag ist die Prüfung, bis dahin muss alles sitzen. Ein Tag Flaute würde sie, die Teilnehmer des Grundkurses der DJH-Segelschule, um einiges zurückwerfen.

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Aber noch ist alles gut: die ersten stehen bereits auf den Booten, ziehen die Segel in die Höhe. Klar zum Setzen des Groß? Ist klar! Klar zum Setzen der Fock? Ist klar! So ein Segeltörn ist ein Frage-Antwort-Spiel – nicht nur, weil hier Anfänger an der Pinne, also am Steuerrohr sitzen, sondern weil das beim Segeln eben so ist: Das Team auf dem jeweiligen Boot spricht sich genauestens nach festgelegten Kommandos ab. Nur so kann garantiert werden, dass das Boot nicht kentert.

‚Klar bei Vorleine?‘, fragt Kai und schaut über den Rand seiner Brille hinweg.

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Seit mehr als 20 Jahren kommt er regelmäßig nach Bad Zwischenahn, um in der seit einem halben Jahrhundert bestehenden ehrenamtlichen DJH-Segelschule als einer von mehr als 80 freiwilligen Teamern auszuhelfen. Hier verbringt er – wie seine Kollegen auch – einen Teil seines Jahresurlaubs. Es gab sogar Zeiten, in denen er aus beruflichen Gründen in Singapur gelebt hat. Und dann den weiten Weg ins Ammerland auf sich nahm, um seine Begeisterung fürs Segeln weiterzugeben. Also: Alles klar bei Vorleine? ‚Ist klar‘, rufen Robert und Stefan vom Boot aus und recken die Daumen in die Höhe. Kai geht in die Knie, löst das Tau vom Anleger und sagt: ‚Vorleine los. Fahrt achteraus!‘

Mit zwei geliehenen Jollen fing vor 50 Jahren alles an – mittlerweile zählt die DJH-Segelschule 16 Segelboote verschiedener Klassen für mehr als 200 Kursteilnehmer je Saison. Das, auf dem Robert und Stefan jetzt auf das Zwischenahner Meer hinaussegeln, ist ein sogenannter Zugvogel: Ein großes, schweres Boot, das im Gegensatz zu den sportlich-wendigen Laser-Modellen und den kleinen Optis eher zum gemütlichen Segeln (Kai: ‚Kaffeesegeln‘) gedacht und damit perfekt für Anfänger ist. Ganz so entspannt geht es an Bord der ‚Blau Bär‘ aber gerade nicht zu. ‚Klar zur Wende?‘, fragt Stefan, und Robert antwortet: ‚Ist klar‘. Bückt sich dann unter dem Segel hindurch, um von der linken auf die rechte Seite des Bootes zu wechseln, und – zack – schnellt das Segel rüber, schlägt weit aus und treibt den Zugvogel nach einer Drehung etwas weiter gen Norden. Alles im Lot auf dem Boot, würde Käpt’n Blaubär sagen. Alles in Butter auf dem Kutter.

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Robert und Stefan haben den Dreh raus. Es ist der vierte Tag des Einstiegskursus, und die beiden haben bereits einige Theoriestunden hinter sich. Die finden in der Regel morgens und mittags im Bootshaus vor dem Segeln statt, und auch abends am Lagerfeuer werden Manöver besprochen. Stefan bringt bereits einiges an Erfahrung mit. Wir haben eine Yacht in den Niederlanden‘, sagt der 17-Jährige, der aus dem Rheinland ans Zwischenahner Meer gekommen ist. Zusehen durfte er also schon häufig – jetzt will er endlich auch selbst mit Berechtigung segeln dürfen. Und, ist es schwerer oder leichter als gedacht? ‚Eigentlich ist es relativ einfach‘, sagt er. Man muss einige grundsätzliche Dinge verstehen und dann nur noch präzisieren.‘

Robert stimmt ihm da zu. ‚Ist viel einfacher, als ich mir das vorgestellt hatte‘, meint der 20-Jährige Berliner. Aber das Tolle ist auch: ‚Die Teamer nehmen sich richtig viel Zeit. Sie erklären auch dann nochmal alles in Ruhe, wenn man eine Frage zum dritten Mal stellt.‘ Vor der Prüfung am Samstag hat er aber trotzdem Respekt. Man macht sich schon viele Gedanken über die Theorie. ‚Zum Glück kriegt man gleich zu Beginn ein Heft, in dem alles ausführlich erklärt ist.‘ Später, in der Mittagspause, wird er wieder im Schatten des Bootshauses sitzen und lernen.

PLATSCH!

Direkt neben den beiden Jungs ist ein Laser über Kopf gegangen. Ist um 90 Grad zur Seite gekippt, die beiden Segel kleben auf der Oberfläche. Käthe schwimmt im aufgewühlten Wasser unter der Groß hervor – und lacht.

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‚Das hat Spaß gemacht‘, ruft sie den Teamern zu, die im Motorboot zu ihnen herangefahren kommen, um nach dem Rechten zu sehen.

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Bewusst kentern – auch das gehört zu den ersten Segelstunden dazu, um zu lernen, wie man sich in so einem Fall verhält. Und Käthe weiß, was zu tun ist, denn sie hat bereits 2015 ihren Grundschein gemacht. Was sie am Segeln am liebsten mag? ‚Direkt auf dem Wasser zu sein. Ich liebe es, wenn mir der Wind durch die Haare fährt.‘ Jetzt, im Sommer 2016, will sie auch den Sportbootführerschein bestehen. ‚Ich habe mir extra die Woche herausgesucht, in der dieselben Teamer wie beim letzten Mal dabei sind. Die sind einfach super! Für alles offen und immer hilfsbereit.‘ Auch sie kommt aus Berlin hierher. In der Hauptstadt segelt sie im Verein. Dort ist sie die Jüngste. ‚Ich finde es toll, diese Begeisterung in den Augen der Älteren zu sehen‘, sagt sie.

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Begeisterung, die auch bei Peter in den Augen funkelt. Mit seinen 68 Jahren ist er der älteste Teilnehmer in der 25-köpfigen Gruppe. ‚Als ich Rentner wurde, habe ich mir ein paar Sachen vorgenommen. Und eine war, dass ich das Segeln lerne‘, sagt der Bremer. Seine Kinder, die selbst in Bad Zwischenahn wohnen, haben ihm den Kurs dann zum Geburtstag geschenkt. Ich bin absolut begeistert! Die Lage der DJH-Segelschule ist absolut idyllisch, der See wunderschön‘, freut sich Peter. Für den Preis so viel geboten zu bekommen – das hätte ich nicht gedacht.‘

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Und das Segeln, das wird für den ehemaligen Ruder-Lehrer wohl zum neuen Hobby. Auch wenn es am Anfang für ihn eine Herausforderung war, die ganzen Fachbegriffe vom ‚Anluven‘ (Kursänderung zum Wind hin) bis zum ‚Halsen‘ (Veränderung der Richtung des Schiffes durch das Drehen des Hecks) zu begreifen. Jetzt, ein paar Tage später, hat man das schon drin. ‚Da denkt man nicht mehr viel drüber nach. Die Hauptsache ist da nur noch, dass wir rechtzeitig zum Mittagessen wieder zurück sind‘, sagt er lachend. Auch vor der Kenterübung hatte er etwas Angst.‘ Aber das war easy, wirklich.‘ Mit seinem Team- und Zimmerkollegen, dem 46-jährigen Bauingenieur Roland aus Mannheim, ist er anschließend noch in den Sonnenuntergang geschwommen. ‚Mehr kann man vom Leben nicht erwarten‘, meint der 68-Jährige. ‚Naja, außer `n büschen mehr Wind vielleicht.‘

Die DJH-Segelschule bietet neben Anfängerkursen auch Action-Segeln und vieles mehr an. Ausführliche Infos dazu gibt es auf ihrer Homepage. Tolle Bilder aus dem Alltag auf dem Zwischenahner Meer seht Ihr auf dem Instagram-Kanal der DJH-Segelschule und auf Facebook. Und ein spannendes Interview über die Arbeit in der DJH-Segelschule mit Teamer Axel Blees lest Ihr hier auf unserem Blog.

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