Ideengeberin und Trendforscherin: Biggi Hägemann entwickelt Programme für Klassenfahrten und Ferienfreizeiten
Biggi Hägemann an ihrem Schreibtisch zu erwischen, ist eine schwierige Sache. Der Arbeitsplatz der Programmentwicklerin – meist unbesetzt. Eindeutiges Zeichen dafür, dass Biggi ordentlich zu tun hat. Das Wichtigste in ihrem Job ist es, auf Achse zu sein und sowohl in den 56 Jugendherbergen als auch auf Messen, Workshops und Tagungen „die Fühler auszustrecken“. Ihr Gespür für gesellschaftliche Strömungen, Menschen und sinnstiftende Aktivitäten prägt die Programmpalette der Jugendherbergen zwischen Nordsee und Sauerland. Neue Ideen zum Beispiel für Familienfreizeiten oder Klassenfahrten zu entwickeln und an den Standorten umsetzen – das ist Biggis tägliche Aufgabe.
„Klassenfahrten sind außerschulische Lernorte“
Seit acht Jahren ist die diplomierte Pädagogin und Sportwissenschaftlerin bei den Jugendherbergen zwischen Nordsee und Sauerland an Bord. Seitdem sind die Kataloge für Klassenfahrten spürbar dicker geworden. Mit der Vielfalt stieg in den vergangenen Jahren auch die Nachfrage deutlich: Der Großteil der anreisenden Schulklassen buchen inzwischen ein Klassenfahrt-Programm. „Das ist für uns als Jugendherbergen ein enorme Chance und Verantwortung, sinnstiftend auf Kinder und Jugendliche einzuwirken“, betont Biggi. „Klassenfahrten bieten Zeit, mit Hand und Herz zu lernen. Schüler erfahren zum einen untereinander mehr voneinander, weil sie sich aus ihren im Schulalltag festgelegten Rollen herausnehmen. Zum anderen kommen sie auf einprägsame Weise mit Themen aus den Bereichen Umwelt, Gesellschaft und Gesundheit in Berührung, die ihnen vielleicht so noch nicht begegnet sind.“ In den Jugendherbergen würden Momente und Entwicklungen möglich, die im Schulalltag allein wegen der räumlichen Rahmenbedingungen nicht klappten. „Klassenfahrten sind außerschulische Lernorte“, fasst Biggi ihre Erfahrungen zusammen.
„Heldenakademie gegen Mobbing“ oder „Mit Trendsport zum Team“ (Jugendherberge Nottuln) – zwei Beispiele für neue Klassenfahrten, die vor zwei Jahren gestartet sind. Wie kommt es zu solchen neuen Inhalten für Schulklassen, will ich von Biggi wissen. Gibt es standardisierte Vorgehensweisen bei der Themenfindung? „Eher nicht.“ Biggi schüttelt den Kopf und überlegt etwas. „Ich kann gar nicht genau beschreiben, wie die Ideen entstehen, das ist einfach wahnsinnig unterschiedlich. Eins haben alle Prozesse aber gemeinsam: Sie finden im Kontext aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen statt.“
Sie erklärt es mir am Beispiel der Heldenakademie-Workshops gegen Mobbing und Rassismus: „Wir haben natürlich schon lange gemerkt, dass die, durch das Smartphone veränderte, Mediennutzung etwas im sozialen Miteinander verändert. Häufig in eine problematische Richtung. Was wir dabei immer deutlicher beobachten: Das Alter der Kinder, die mit diesen Veränderungen konfrontiert sind, sinkt stetig. Das Thema Cyber-Mobbing und Mobbing im Allgemeinen ist ein Thema an den Schulen. 40 Prozent aller Schüler haben leider selbst schon Erfahrungen mit Mobbing gemacht. Jeder sechste Schüler ist ein regelmäßiges Mobbingopfer mit in der Regel nachhaltigen Folgen. Durch den veränderten Raum und die gewohnten Rollen mal abzulegen, haben wir als außerschulischer Lernort eine Möglichkeit hier unterstützend einzugreifen. Sehr wichtig sind dabei thematisch geschulte Pädagogen und Psychologen, die methodisch auf die Klasse einwirken können. Als ich zu diesem Thema die Gründer von Helden e.V. traf, war uns schnell klar, dass wir gemeinsam konkrete Inhalte für eine Klassenfahrt entwickeln und umsetzen, die der Prävention von (Cyber-)Mobbing und Rassismus an Schulen dient.“ Mittlerweile wird das Programm „Heldenakademie“ an zehn Jugendherbergsstandorten angeboten.
Klassenfahrten passend zur Jugendherberge
Die Jugendherbergen zwischen Nordsee und Sauerland haben neben Helden e.V. einige andere ausgewählte Kooperationspartner, mit denen sie kontinuierlich zusammenarbeiten. Biggi ist dabei ein Punkt besonders wichtig: „Wir kaufen niemals fertige Programme ein. Wir setzen uns immer mit den Partnern zusammen und konzipieren Inhalte, die zum jeweiligen Haus und den Zielen unserer Jugendherbergs-Arbeit passen.“ Daneben gebe es aber auch zahlreiche eigene Konzepte, die mit Teamern umgesetzt würden. „Teamer sind freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die konkret in den Jugendherbergen mit den Schulklassen arbeiten. Sie werden speziell für unsere Programme ausgewählt, bringen die entsprechenden Qualifikationen mit und werden in unserer eigenen Trainerakademie entsprechend fortgebildet.“
Um bei der Arbeit an eigenen Konzepten die aktuellen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen nicht aus den Augen zu verlieren, trommeln die Jugendherbergen zwischen Nordsee und Sauerland regelmäßig ihr „Young Talents-Team“ zusammen. Junge Erwachsene, mit denen sie sich in Workshops und Diskussionsrunden austauschen, um mehr über die Sichtweisen von jungen Erwachsenen, ihre Probleme und Wünsche zu erfahren. „Nah an den Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Gästegruppen dran zu sein ist für meine Arbeit enorm wichtig“, so Biggi. „Das ist einer der Gründe, warum ich so wenig im Büro und so viel in den Jugendherbergen unterwegs bin. Was ich vor Ort aufschnappe und an Atmosphäre mitbekomme, kann keine Internetrecherche und kein Buch über Jugendkultur ersetzen.“ Dass sie selbst oft und gerne Programm mit ihren zahlreichen Patenkindern macht, ergänze das Ganze recht gut, fügt die DJH-Programmentwicklerin lächelnd hinzu.
Neue Themen und Ideen für Klassenfahrten
Welche Themen und Ideen sie aktuell besonders verfolge, will ich abschließend von Biggi wissen. „Natürlich beschäftige ich mich laufend mit Aktualisierungen unserer Programme in den drei Themenfeldern Umwelt & Natur, Kultur & Gesellschaft sowie Gesundheit & Sport. Besonders in den Blick nehme ich darüber hinaus gerade alle Möglichkeiten, die das interkulturelle Lernen und das Demokratietraining voranbringen würden. Unsere Gesellschaft ist bunter geworden, Toleranz daher umso wichtiger. Außerdem beschäftigen wir uns gerade mit dem Thema Digitalisierung. Hier bieten wir Programme an, die den Schülern helfen Chancen und Risiken einen digitalisieren Gesellschaft zu erkennen und einen eigenen Umgang damit zu finden.
In der Jugendherberge Osnabrück gibt es, um dieses Thema erfahrbar zu machen, sogar einen eigenen „Makerspace“. Der Makerspace ist quasi der Hobbykeller des digitalen Zeitalters und bietet ein voll ausgestattetes technisches Experimentierfeld, Hier können Dinge einfach ausprobiert werden und es entsteht ein praktischer Lernraum, in dem das eigene Erleben und Ausprobieren im Vordergrund stehen. Zahlreiche Programme zum Thema digitale Gesellschaft, unterstützen die Schüler dabei, einen eigenen und gesunden Umgang mit der Entwicklung unserer Gesellschaft zu entwickeln.
Ihr habt auch Lust auf einen inhaltsstarken Job, bei dem das gesellschaftliche Miteinander eine ebenso große Rolle spielt wie Nachhaltigkeit und Bildung? Dann schaut doch mal in die aktuellen Stellenangebote bei den Jugendherbergen zwischen Nordsee und Sauerland.
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