Wingenfelder-Interview: „Wow, soweit sind wir gekommen!“

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5 Jahre OLB MUSIK-CAMP – 5 Jahre Konzerte mit Wingenfelder. Die Fury-in-the-Slaughterhouse-Brüder haben mit ihrem Solo-Projekt Workhops und Konzertabende gerockt und damit nicht nur dem musikalischen Nachwuchs, sondern auch ihren Fans unvergessliche Musikmomente geschenkt. Im Interview spricht Thorsten Wingenfelder jetzt über magische Abende, Rituale vor dem Auftritt und Pohlmann, dem Gastkünstler für die nächsten beiden Club-Konzerte

Thorsten, Du hast ja nun schon viele Konzerte im Rahmen der OLB MUSIK-CAMP-Reihe gespielt. Was macht für Dich denn den perfekten Abend aus? 
Boah, da fragst Du mich was. Wir hatten viele schöne Abende. Perfekte Abende in dem Sinne gibt es jetzt für mich nicht – aber es gibt solche, da ist alles im Fluss, da läuft einfach alles von vorne bis hinten. Die geraten nicht außer Form, es kommt keine Langeweile auf. Und dann bist Du bei der Zugabe und denkst Dir: Alter, das waren jetzt schon zweieinhalb Stunden? Die magischen Momente entstehen aber auch da, wo wir selber zum Zuhörer und Zuschauer werden. Wo der ganze organisatorische Ablauf in den Hintergrund rückt und wir einfach nur fasziniert sind von den Gastkünstlern. Jeder OLB MUSIK-CAMP-Abend war bis jetzt einzigartig. Und manche sind dann ganz besonders für einen persönlich.

Wichtig für einen perfekten Auftritt sind ja auch die Vorbereitungen. Und genau diese Proben sind immer etwas besonders bei Euch: Ihr experimentiert herum, lasst Euch von der Musik treiben, habt Spaß…
Ja klar, wir jammen erst einmal ganz viel, um uns aufeinander einzustellen, ein bisschen warm zu werden. Wir lassen uns dabei auch immer auf den Gastkünstler ein, gucken, was derjenige eigentlich von uns möchte, worauf er Lust hat. Deswegen dauert der Soundcheck auch oft bis kurz vor Einlass. Das ist jedes Mal anders, denn wir müssen uns mit dem ganzen Soundsystem ja an die Gegebenheiten vor Ort anpassen, gerade beim OLB MUSIK-CAMP, das in den Jugendherbergen oder – ganz spannend – wie jetzt in einer Bankfiliale stattfindet. Wir können mit unseren Gaststars ja auch immer nur vor Ort proben. Und da ist die Zeit dann knapp, da muss alles klappen.

Klingt danach, als wenn alles zeitlich sehr knapp ist vor Eurem Auftritt. Wird das nicht stressig?
Naja, wir feilen nochmal an der Setlist, tauschen vielleicht noch einmal einen Song aus – aber diese Freiheit ist ja auch gut. Das macht ja auch den Charme vom OLB MUSIK-CAMP aus: Du weißt nie ganz genau, wie es wird. Aber bis jetzt war es immer gut, immer cool – und wir haben ja mittlerweile viele Konzerte in diesem Rahmen gespielt.

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Jetzt ist Pohlmann dabei – für Euch quasi ein alter Bekannter, denn Ihr standet schon öfter gemeinsam auf der Bühne.
Pohlmann bringt eine wahnsinnige Energie mit. Normalerweise sollen unsere Gastkünstler etwa eine Dreiviertelstunde spielen. Beim letzten Mal hat er locker mehr als eine Stunde gefüllt, weil er auch viele Anekdoten zu erzählen hat. Da haben wir dann insgesamt weit mehr als drei Stunden auf der Bühne gestanden. Das ist aber auch ok, denn genau das macht am Ende ja den Reiz des OLB MUSIK-CAMP aus.

Haltet Ihr Euch das denn komplett offen – oder gibt es beispielsweise Zeichen, die Ihr vereinbart, und die dann bedeuten: Ok Leute, so langsam müssen wir zum Schluss kommen?
Nein, nein. Also Zeichen haben wir nicht. Und es steht ja auch ein Zeitplan, den wir mit der Menge an Songs quasi definieren. Die einzigen Faktoren, die diesen Zeitplan durcheinander bringen können, sind dann lediglich die Gespräche zwischendurch und die Mitsing-Nummern, die Klassiker…

… die ja wirklich wahnsinnig gut vom Publikum mitgesungen werden und jedes Mal für Gänsehaut sorgen! 
Das sind wirklich besondere Momente. Manchmal kosten wir das natürlich aus. Aber dafür streichen wir dann einen anderen Song. In der Regel ist das einer von uns, weil wir nicht wollen, dass der Gastkünstler da Abstriche machen muss. Das gehört ja auch zum Künstlerdasein: Dass Du wachsam bist, mitschwimmst auf dieser Welle, die Stimmung vom Publikum aufnimmst und dann in der Lage bist, da die perfekte Länge des Abends herauszufühlen.

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Welcher Abend war denn für Dich so ein ganz besonderer?
Wir haben mal zwei Shows mit Wolfgang Niedecken gespielt. Er hat aus seinem Buch gelesen, und wir haben zu den Geschichten Songs gespielt, die thematisch dazu passten. Das war nicht immer leichtgewichtig, sondern auch mal düster. Da hat er zum Beispiel von Kindern in Afrika erzählt, die nachts vor den Rebellen flüchten, die die Kinder zu Soldaten machen wollen. Die jeden Abend sechs Kilometer laufen, um für die Nacht in ein sicheres Gebiet zu kommen. Beim zweiten Abend waren wir so aufeinander eingestimmt, dass wir quasi mit dem letzten Wort dieser Geschichte, die er vorgelesen hat, mit dem Song einsetzen konnten. Und das war einfach magisch! Timing macht da ganz viel aus. Und dann wollte Wolfgang noch, dass wir „Verdammt lang her“ spielen. Und wir haben daraus so eine Snow-Patrol/U2-Version gemacht. Man fühlte sich einfach wohl auf der Bühne. Das war für mich ein herausragender Moment.

Sehr cool war aber auch der Workshop mit den Nachwuchsbands auf Borkum. Da war eigentlich kein Abschlusskonzert geplant, sondern wir haben sehr intensiv an der Musik gearbeitet. Und dann haben die Workshop-Teilnehmer quasi ihr eigenes Abschlusskonzert gemacht, indem sie von Proberaum zu Proberaum gelaufen sind und dort gespielt haben. Da war eine unglaubliche Intensität, ein unglaublicher Vibe – das hat total Spaß gemacht. Und das war für mich so ein Moment, wo ich gedacht habe: Wow, soweit sind wir gekommen, mit den Workshops, mit dem Förderpreis der OLB. Das war inspirierend.

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Du bist seit mehr als 30 Jahren im Musikgeschäft. Wie schafft man es, sich bei all der Professionalität immer wieder auch auf Neues einzulassen? Wie erhältst Du Dir das, das Musik spannend bleibt?
Musik braucht Abwechslung, Musik braucht es, dass man sich immer wieder neu auf sie einlässt. Würden wir jeden Abend beim OLB MUSIK-CAMP gleich gestalten, dann wäre das sicher der Tod der Sache. Klar: Routine besteht darin, dass man sich die Gegebenheiten so organisiert, dass alles funktioniert. Aber nur, um dann den Freiraum zu haben für den Auftritt. Nur, wenn das alles klappt, bist Du vom Kopf her so frei, dass Du musikalisch wirklich abfackeln kannst. Kannst Du das nicht – dann kommen auch die Leute nicht mehr zu Deinen Shows.

Ihr spielt als Wingenfelder zwischen 60 und 80 Shows im Jahr. Gibt es ein Ritual, das Ihr vor jedem Auftritt habt?
Im Grunde brauchen wir das gar nicht mehr. Aber wir machen das zum Beispiel so, dass wir uns vor dem Auftritt kurz mit der Band in den Arm nehmen, etwas brüllen oder etwas einsummen. Eigentlich dient das dazu, dass man sich kurz auf sich, auf sein Ding fokussiert und die Außenwelt einmal kurz auszublenden und sich gegenseitig Energie zu geben. Manchmal treffen wir uns aber auch einfach auf der Bühne, fangen an zu spielen, es macht Bumm! – und alles passt.

Die Konzerte im Rahmen des OLB MUSIK-CAMP finden meist in Jugendherbergen statt – demnächst in der Jugendherberge Meppen. Verknüpfst Du mit den Häusern besondere Erinnerungen?
Klar, mit den Jugendherbergen sind einige Erinnerungen verknüpft. Als Kind war ich ja oft dort, und selbst unsere Abschlussfahrt haben wir in einer Jugendherberge verbracht. Da hat man natürlich viel gefeiert, war abends mit den Mädels nochmal auf Tour oder hat seinen besoffenen Kumpel zurück ins Stockbett geschleppt. Aber die schönsten Jugendherbergs-Momente sind eigentlich jetzt erst in diesen Jahren des OLB MUSIK-CAMP entstanden. Manchmal war ja auch meine Familie dabei, und das ist dann schon etwas Besonderes. Die genießen ihren Aufenthalt in den Jugendherbergen total, zum Beispiel wenn es nach Leer geht oder Neuharlingersiel oder Thülsfelder Talsperre. Die haben das schätzen gelernt und sagen auch mal: Mensch, lass uns doch im Sommer ein paar Tage dort vor Ort verbringen. Das fand ich insofern spannend, als dass sich das Bild von den Jugendherbergen, das ich aus meiner Kindheit hatte, dann doch stark verändert hat.

Die beiden Club-Konzerte in der OLB-Filiale in Oldenburg und in der Jugendherberge Meppen sind ausverkauft. Für alle, die nicht dabei sein können, berichten wir ausführlich hier auf dem Blog von den Auftritten. An alle, die dort sein werden: Wir freuen uns auf Euch!

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