Willkommen in den Sixties: Die Jugendherberge Horn Bad-Meinberg feiert 60. Geburtstag
60 Jahre Jugendherberge Horn Bad-Meinberg. 60 Jahre Gemeinschaft erleben im Luftkurort und Heilbad mitten im Naturschutzgebiet! Klar, dass das gefeiert werden muss – mit einer Party im Sixties-Stil. Unter den Gästen: Landrat, Bürgermeister, ehemalige Mitarbeiter – und der eine oder andere Überraschungsbesuch. Denn in sechs Jahrzehnten Historie wurde vor Ort nicht nur übernachtet. Sondern angepackt, gestaltet, und ja: auch geheiratet.
Holzvertäfelte Decke, von der Sonne verblichene Hausregeln an der Wand, ein alter Schlafsack neben der Rezeption: Vieles in der Jugendherberge Horn Bad-Meinberg sieht noch so aus wie zur Eröffnung 1959 – selbst die Outfits des Teams: Die Mädels an der Rezeption und in der Küche tragen Pettycoat und auffälligen Lippenstift. Die Hausleiterin Sylvia Speckbrock hat davon ganz schön viel auf dem Haarband, es ist übersät mit Küssen, rote Knutschflecken überall; die Hose hat weiten Schlag, und auf der Bluse sind viele kleine Kirschen aufgedruckt.
Was klingt, wie ein Foto aus alten Zeiten, ist das Bild, das sich den Besuchern beim Betreten der Jugendherberge Horn Bad-Meinberg ergibt. Zumindest an diesem Samstag – denn da feiert das Haus Geburtstag. Sechs Jahrzehnte thront es über der Stadt, nur 15 Minuten Fußweg von den Externsteinen entfernt, zu denen jedes Jahr Tausende Wanderer pilgern. Umgeben von Tannen, die mal ganz klein waren und mittlerweile so groß sind, dass man von der Terrasse des Gebäudes nicht mehr wie früher bis in den Ort gucken kann, sondern gerade einmal bis zur Grenze des riesigen Außengeländes mit großem Spielplatz. Eine Oase, mitten im Grünen. Und heute, an diesem Jubiläumssamstag, auch ein bisschen Zeitmaschine: Es geht zurück in die 60er, von den Outfits über die Live-Musik bis hin zu den alten Fotos der Jugendherberge.
Anneliese Tülle steht davor, betrachtet eines nach dem anderen. Geht ganz dicht heran, berührt mit ihrer Nasenspitze fast die matten Schwarzweiß-Aufnahmen, die dicht an dicht an einer Pinnwand befestigt sind. Die 92-Jährige hat damals den Baufortschritt miterlebt, war zur Eröffnung des Hauses dabei und anschließend regelmäßig zu Gast. „Meine Tochter hat hier immer viel und gerne gespielt“, sagt die Seniorin, die noch immer nur ein paar Straßen weiter unten, direkt hinter dem Sportplatz, ihr Haus hat. Sie strahlt. „Das war eine herrliche Zeit. Nein wirklich, das war herrlich.“ Mittlerweile ist ihre Tochter selbst 62 Jahre alt, einiges hat sich verändert. Auch die Jugendherberge? „Ja, natürlich“, antwortet Anneliese Tülle. „Aber vieles ist noch so, wie ich es in Erinnerung habe.“ Die Decke in der rustikalen Empfangslobby, zum Beispiel, ist original erhalten geblieben aus dem Gründungsjahr.
Auch Helmut Heissenberg kann sich an die ersten Jahre noch gut erinnern. Nicht, weil er damals selbst in der Jugendherberge Horn Bad-Meinberg zu Gast war – sondern weil seine Frau ihm schon oft davon erzählt hat. Ursula heißt sie, ihr Name steht in ordentlicher Handschrift auf einer vergilbten Seite in dem schmalen Buch, das Helmut Heissenberg unter dem Arm geklemmt hat. Dahinter ihr Mädchenname: Vösgen. Der Umschlag des Buches ist fein säuberlich bestickt und zeigt das DJH-Logo in grünem Kreuzstich. „Meine Frau hat sich leider nicht getraut, heute zu kommen“, bedauert Helmut Heissenberg, „aber sie hat mich gebeten, dieses kleine Geschenk vorbeizubringen.“ Mit leicht zittriger Hand überreicht der Rentner aus Horn das Buch an Sylvia Speckbrock, will dann schon auf dem Absatz kehrt machen. „Oh, das ist aber schön!“, ruft die Hausleiterin, tätschelt mit der flachen Hand den freien Platz links neben sich und blickt ihn aufmunternd an. „Setzen Sie sich doch, dann schauen wir gemeinsam rein.“
Schon auf der ersten Seite zeigt sich: Das Buch ist ein Praktikumsbericht. Ursula Heissenberg, die damals noch eine Vösgen war mit ihren zarten 17 Jahren, erzählt darin von den drei Wochen im Haus im Jahr 1961, in denen sie beim Zimmerservice, in der Küche und am Empfang ausgeholfen hat. Berichtet über die Arbeit, die jeden Morgen um 7 Uhr begann, von den 192 Betten, die damals noch anders verteilt waren, mit acht bis 20 Betten in einem Schlafsaal. Über die netten Kollegen, und darüber, dass sie die Tanzabende lieber mochte, als die Singabende. „Als wichtigste Aufgabe erscheint mir, die Jugend zur Gemeinschaft zu erziehen“, resümiert die damalige Schülerin, die zu dem Zeitpunkt Volksschullehrerin oder Fürsorgerin werden wollte. Und weiter:
„Welch verschiedenartiger religiöser, politischer oder nationaler Herkunft die Jungen und Mädchen auch sein mögen; hier leben sie unter einem Dach, und keiner sieht in ihrer Anwesenheit ein Ärgernis. Ich finde, dass dieses die schönste Aufgabe des DJH ist: gemeinsames Dach zu sein, und unter diesem Dach jedem seine Freiheit zu lassen“,
schreibt die Praktikantin, und sorgt damit bei Sylvia Speckbrock für ein erstauntes Gesicht. „Das hat sich bis heute nicht verändert“, sagt die Hausleiterin. „Schön, dass unser Slogan ‚Gemeinschaft erleben‘ damals schon so erfahrbar war.“ Sie dreht sich zu Helmut Heissenberg, drückt ihm zum Dank herzlich die Hand. „Kommen Sie mit Ihrer Frau bitte unbedingt einmal auf ein Stück Kuchen vorbei, wenn es Ihnen passt.“
Die Zeit, von der Ursula Heissenbrock in ihrem Praktikumsheft berichtet, kennt Sylvia Speckbrock nur aus Erzählungen: Sie selbst war in den 1960er-Jahren noch ein kleines Mädchen. Nach der Schule hat sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht, war anschließend in vielen Bereichen tätig, lange Zeit selbstständig und dann Assistentin in der Regionalleitung verschiedener Jugendherbergen. Seit drei Jahren nun leitet sie die Jugendherberge des Landesverbands Westfalen-Lippe, und das mit viel Leidenschaft: Die Kissen auf den Stühlen hat sie selbst genäht, hat Wände gestrichen und mit riesigen Räuber Hotzenplotz-Figuren bemalt, und mit ihrem Team Palettenmöbel für den Außenbereich gebaut. Eine Frau, die nicht lang zögert, sondern tut. Eine Macherin. „Genau das liebe ich an meinem Job: Dass ich mich hier auch selbst ausleben, mich selbst einbringen kann“, sagt sie. Deswegen habe sie die Aufgabe vor drei Jahren gerne von Hilde und Calle Swoboda übernommen.
Das Ehepaar kennt sie noch aus ihrer Zeit in der Regionalleitung; gemeinsam haben sie damals Besteck in der Jugendherberge Bad Driburg poliert – daran erinnern sie sich jetzt, draußen auf einer der Palettenbänke auf der Terrasse. Von 2010 bis 2017 waren Hilde und Calle Swoboda für die Leitung des Hauses zuständig; mittlerweile ist es ein Jahr her, dass sie zuletzt gemeinsam zu Besuch waren. „Jedes Mal, wenn wir wieder hier sind, fällt uns auf, wie wunderschön die Jugendherberge gelegen ist“, sagt Hiltrude Swoboda. Ihr Mann kommt etwas öfter hierher, macht beispielsweise Fahrten mit seinem Chor oder seiner Konversationsgruppe Französisch nach Horn Bad-Meinberg. „Im Winter ist es besonders traumhaft“, schwärmt Calle. „Wenn die Externsteine voll weißem Reif sind – das hat schon etwas Magisches.“ Obwohl er das Haus eigentlich bis ins Detail kennt, entdeckt er immer wieder Neues. „Hier hat sich einiges getan“, sagt er. „Sylvia hat hier vieles verändert, sehr gelungen.“
Davon will sich an diesem besonderen Geburtstag auch die Politik ein Bild machen. Der Landrat und einige Lokalpolitiker sind vorbeigekommen, Bürgermeister Stefan Rother hat sogar ein kleines Geschenk dabei: Mit einem breiten Lächeln überreicht er der Hausleiterin einen Gutschein. „Für den Garten“, sagt er, und Sylvia Speckbrock freut sich, denn gerade erst hat sie die dornigen Büsche auf der Fläche hinter dem Haus roden lassen und ein kleines Beet angelegt. Noch ist dort viel blanke Erde zu sehen, nur eine Handvoll Blumen sind bereits gepflanzt. „Da fahre ich nächste Woche mal zum Baumarkt und hole ein paar schöne Pflanzen dazu.“ Doch erst einmal gibt es eine kurze Hausführung, durch die zum Teil modernisierten Zimmer, die großen Tagungsräume mit Waldblick, das Spielzimmer für Kinder. Überall stehen Dinge aus vergangenen Zeiten, im Tagungsraum „Klassenzimmer“ zum Beispiel ein altes Filmvorführgerät und ein Globus – beides hat die Hausleiterin im Keller gefunden.
Ein anderes Fundstück hängt an der Pinnwand im Flur: Eine sonnengelbe Klappkarte von einem kleinen Mädchen. In krakeliger Kinderschrift steht dort „Danke“ geschrieben, gerahmt von einem großen selbstgemalten Herz, und darüber: „Vielen Dank, dass Sie meinen Elch gefunden haben von Eileen“. Zwei Männer stehen schmunzelnd davor. Sie tragen schwarze Lederhosen und Kutten eines Motorrad-Clubs aus der Region. „Wir wollten uns bei Dir mal umschauen“, sagen sie, als sie Sylvia Speckbrock entdecken. „Meinst Du, dass Du hier wohl 150 Leute unterkriegst?“ – „Das kriegen wir schon hin“, antwortet die Hausleiterin, die sich über die Anfrage freut: Künftig will sie das Haus für Motorradfahrer attraktiver machen.
Sie selbst ist gut vernetzt in der Szene – schließlich fährt sie Harley. Vor Kurzem war sie mit ihrem Mann, mit dem sie gemeinsam in einem kleinen Häuschen hinter der Jugendherberge wohnt, auf großer Fahrt nach Schweden, 1100 Kilometer auf der Straße. „Das ist schon `ne coole Geschichte.“ Die Hausleiterin fährt, wann immer sie Zeit hat, manchmal auch in der Mittagspause oder im Feierabend, ohne großes Ziel. In den vergangenen Wochen kam das seltener vor, denn es war viel zu tun. „Aber wenn ich auf der Maschine sitze, den Fahrtwind spüre – dann ist das für mich Freiheit“, sagt sie. „Da kann ich so richtig abschalten. Eine Stunde Motorrad ist eine Stunde Frieden.“ Manchmal reicht es ihr aber auch, einfach nur mit Charly Brown, ihrem vierjährigen Hund, im Wald spazieren gehen zu können.
Eine ältere Dame stößt zu der Runde dazu, in der Hand ein dickes Fotoalbum. Marlis Richts heißt sie, 80 Jahre ist sie alt, und seit 1975 das erste Mal wieder hier. Früher hat sie viel Zeit hier verbracht, und einen der schönsten Tage ihres Lebens, wie sie erzählt: Im Februar 1964 hat sie ihren Mann geheiratet und in der Jugendherberge mit 40 Gästen gefeiert. „Wir hatten am nächsten Morgen nichts anzuziehen“, erinnert sie sich und lacht. „Aber Koteletts hatten wir genug.“ Hans und Gerda Cerny, die ersten Herbergseltern der Jugendherberge Horn Bad-Meinberg, waren ihre Schwiegereltern; Marlis Richts hat sie unterstützt, gekocht, geputzt, alles, was anfiel, gemacht. „Schauen Sie, hier“, sagt die 80-Jährige und tippt auf eines der Fotos. Es zeigt einen Mann inmitten der Großküche, mit Klampfe um den Hals und zum Gesang weit aufgerissenen Mund. „Das war mein Schwiegervater“, sagt sie lächelnd. „Das war immer schön, wenn wir gemeinsam musiziert haben.“ Auf den anderen Bildern sieht man sie, eine schöne Braut im langen weißen Kleid, mit ihrem Mann; wie sie die Treppe zur Jugendherberge hinaufsteigen, und wie sie zu den Zimmern gehen. Die Kleiderhaken im Hintergrund hängen noch immer. „Das gibt es doch gar nicht“, sagt Marlis Richts und schüttelt den Kopf. Das Zimmer, in dem ihre Schwiegereltern immer genäht und die Bettwäsche geflickt haben, ist allerdings ganz anders als früher: Hier stehen ein Sessel aus Sylvia Speckbrocks privater Sammlung, Sitzsäcke sorgen für eine gemütliche Atmosphäre beim Blick ins Grüne. Und da, tatsächlich: Auf einem kleinen Tisch steht eine alte Nähmaschine.
Kurze Pause im Nebenraum. Gleich noch spielt eine Sixties-Band, draußen im neuen Schlechtwetterunterstand mit den alten Kirchenbänken und dem bepflanzten Klavier. Alles selbstgebaut, selbstgemacht. „Und es geht immer weiter“, sagt Sylvia Speckbrock. Sie hat noch viele Ideen. Wenn die Geburtstagsgäste weg sind, kommen wieder die Musikgruppen, Familien, Klassenfahrten – und mit ihnen die Rollen für die Hausleiterin. „Bei den Familien fühle ich mich als Mutter der Mütter. Bei den Klassenfahrten sage ich den Lehrern immer: Ihr dürft jetzt mal ein paar Tage die Lieben sein, und ich bin die Strenge mit den Regeln.“ Und heute, an dem Geburtstag der Jugendherberge, ist sie noch ein paar Stunden die Sixties-Version von sich selbst. Na dann: Happy Birthday! Und: Rock on.
Ihr wollt die Jugendherberge Horn Bad-Meinberg besuchen? Alles zum Haus im Grünen erfahrt Ihr direkt hier.
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