Beim Klabautermann! Wie kleine Piraten in den Sommerferien die Insel Borkum entern

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„Aye Aye, Captain!“ „Familie Geldermann?“ „Aye aye, Captain!“, schallt es erneut durch den Raum. „Familie Römer?“ „Aye aye, Captain!“ Der Kapitän schaut zufrieden in die Runde: seine Mannschaft für heute ist vollständig an Bord, 15 kleine und 13 große Seeräuber warten gespannt auf Anweisungen. Es kann losgehen mit der Piratenausbildung im Pirates Inn!

Der Kapitän, das ist Teamer Justin. Das Pirates Inn: ein Seminarraum der Jugendherberge Borkum. Die Mannschaft: Familien aus ganz Deutschland. Es sind Sommerferien – die Wochen, in denen die größte Jugendherberge Deutschlands traditionell von Nachwuchspiraten gekapert wird. Mehrfach pro Sommer, je eine Woche lang, findet hier die Familienfreizeit „Strandpiraten, entert Borkum!“ statt. Heute ist Tag 2 des Programms, an dem sich der Kapitän erst einmal darum kümmert, dass die Kinder alles haben, was ein erfolgreicher Pirat benötigt: Orientierungssinn, Mut und natürlich eine Augenklappe.

Wer plündern will, muss in die richtige Richtung segeln

„Zeigt mir mal, in welche Richtung die rote Nadel eures Kompasses zeigt.“ Die Kinder strecken ihre Arme in Richtung der Kart-Bahn aus, die im großen Hof der Jugendherberge Borkum aus Autoreifen aufgebaut ist. „In dieser Richtung werdet ihr den Nordpol finden“, erklärt Justin. „Die rote Nadel zeigt immer in Richtung Norden, egal wo ihr seid. Auf hoher See ist ein Kompass total wichtig, damit ihr wisst, in welche Richtung ihr schippern müsst. Kennt ihr denn auch die anderen Himmelsrichtungen?“. Paul meldet sich sofort. „Osten, Westen und Süden.“ „Genau. Und weißt Du auch, wie man sich die Reihenfolge der Himmelsrichtungen merken kann. Da gibt es eine Eselsbrücke“, hakt Justin nach. „Ähm, ja. Nie ohne… Ähm, nie ohne… Seife waschen.“ N-O-S-W. Justin zeichnet die Himmelsrichungen in richtiger Reihenfolge auf ein Flipchart und schreibt das jeweils passende Wort dazu.

Die Meute rutscht langsam etwas unruhig auf den Stühlen herum. Genug der Theorie also, Justin holt Bastelbögen raus. „Wenn ihr den Kompass genau anschaut, dann seht ihr von der Mitte ausgehend einen Stern. Das ist eine sogenannte Windrose. Habt ihr Lust, euch eine eigene Windrose zusammen mit euren Eltern zu basteln?“ Ein kreischendes „Ja!“ beantwortet die Frage eindeutig.

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Die Familien rücken mit Buntstiften, Schere und Bastelbogen an den Tischen zusammen und machen sich ans Werk. Eine von ihnen ist Familie Schneble aus dem Schwarzwald. Sie hatte von allen Teilnehmern die weiteste Anreise, für den sechsjährigen Aaron ist es der erste Urlaub an der Nordsee Überhaupt. In Sachen Piraten-Ausrüstung macht ihm allerdings niemand etwas vor: Neben dem Kompass liegen vor ihm schon ein Säbel und eine Augenklappe parat.

„Das musste am Ankunftstag natürlich im Jugendherbergs-Shop besorgt werden, um gut gewappnet zu sein“, schmunzelt Papa Arnold. Er und seine Familie sind erst seit Herbst vergangenen Jahres Mitglied im DJH, haben seitdem aber schon einige Jugendherbergen besucht. „Wir waren zuvor schon am Bodensee in einer Jugendherberge, in einer Burg und in Nürnberg“, zählt der Baden-Württemberger auf. Über die Vielfalt der Häuser war er dabei sehr überrascht. „Man kann von den vieren keines mit einem anderen vergleichen. Jedes ist auf seine Weise speziell.“

Mit dem zweiten sieht man besser

Nach einer guten halben Stunde haben alle ihre eigene bunt bemalte Windrose in der Hand. Jetzt geht’s ans richtige Outfit für einen Piraten – und für das benötigt man manchmal nur einen weißen Pappteller. Aus ihm und einem bunten Band entstehen im Nu standesgemäße Augenklappen.

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Jakob und Jonathan aus Bremen entscheiden sich sogar für eine größere Veränderung: Sie nutzen den ganzen Pappteller, um auch Kopftuch, Bartstoppeln und Zeichen des letzten wilden Beutezugs aufzumalen.

Mit der kleinen optischen Veränderung wechselt bei einigen kleinen Piraten dann auch das Temperament. „Arrrrggghhhh! Ich bin der gefährlichste Pirat!!!“ Sie toben auf dem Gang, rufen mit Säbel in der Hand laute Angriffsschreie und phantasieren über den Schatz, den es noch zu finden gilt.

Wer hat Angst vor Captain Jack? Niemand!

Mit diesem Abenteuerdurst im Seemannsbeutel wechselt die Mannschaft vom Pirates Inn nach draußen. Captain Jack soll gesichtet worden sein und plane einen Angriff auf die Nachwuchspiraten. Aber wer hat schon Angst vor Captain Jack? Genau, niemand!

Nach dem Prinzip vom altbekannten Spiel „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ sausen die Kinder über die Wiese. Und siehe da: die Kleinsten sind oft die Flinksten. Während Captain Jack fast sämtliche kleine Seeräuber schnappen kann, ist es der vierjährige blonde David, der sich als einziger in Sicherheit bringen kann. Wie stolz er darüber ist, verrät sein verschmitztes Lachen.

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Doch nicht jeder angehende Pirat ist vollkommen ohne Ängste. Wer zu schüchtern ist, beim Spiel die zentralen Botschaften lauthals zu rufen oder sich von anderen Kindern beim Spiel überrumpelt fühlt, bekommt aber jedes Mal ermunternde Worte von Justin. Der Teamer begibt sich dafür stets hockend auf Augenhöhe, findet mit dem jeweiligen Kind immer eine Lösung. Und die Kinder – sie haben Vertrauen und große Sympathie für ihren Kapitän, den Klara „Kapitän Schnuckiputz“ nennt und mit dem Ella gern Händchen hält.

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Die insgesamt drei Schlachten mit Captain Jack haben hungrig gemacht. Zum Glück haben alle Proviant dabei: Mithilfe des Jugendherbergs-Smutje hatte sich jede Familie morgens Lunchpakete zusammengestellt.

Land in Sicht? Oder Feinde?

Nach ihrem absolvierten Piratentraining und der Mittagspause geht es an den Borkumer Nordstrand. Nicht alle Familien machen sich mit auf den Weg, sondern erkunden die Insel heute auf eigene Faust oder ziehen sich in ihre Kajüten zurück. Kein Problem bei Freizeiten der Jugendherberge: alles kann, nichts muss. Und genau das schätzen die Eltern: „Letztlich geht es uns darum, gemeinsam Urlaub zu machen, aber nicht jeden Tag selbst überlegen zu müssen, was man unternimmt. Solch eine Freizeit ist ideal: Es gibt viele Angebote, die man alle wahrnehmen könnte. Hat man mal andere Ideen, klinkt man sich einfach aus“, meint Dreifach-Mama Annette Geldermann. Und Arnold Schneble fügt hinzu: „Bei uns, die wir mit nur einem Kind reisen, kommt der Kontakt zu anderen Kindern als Vorteil hinzu.“

„Land in Sicht?“, fragt Justin Ella. Das Mädchen mit den krausen dunklen Locken hat es in der Kletterspinne des Strandspielplatzes bis ganz nach oben geschafft und verschafft sich einen Überblick über die Lage. Auch Jakob und Jonathan wollen sichergehen, dass keine Angreifer in der Nähe sind und klettern hinterher. Die Eltern haben es sich währenddessen im Sand, am Strandkorb gelehnt oder auf einer Bank gemütlich gemacht. Sonnenschein gibt es nicht, aber eine erholsame Pause mit viel frischer Nordseeluft um die Nase und dem guten Gefühl, dass jemand anderes einen fürsorglichen Blick auf die eigenen Sprösslinge hat. Es wird gebuddelt, geturnt, gelacht.

Als die Wolken sich regnerisch verfärben, bricht die Mannschaft erneut auf. Zum Stadtfest am Alten Leuchtturm geht es, dort schwärmen die Piraten in unterschiedliche Richtungen aus. Wohlwissend, dass sie sich an diesem Tag im Pirates Inn noch einmal wiedersehen werden, um das Abendbuffet der Jugendherberge zu plündern und im Anschluss abenteuerliches Seemannsgarn zu hören, das von ihrem Kapitän höchstpersönlich vorgetragen wird.

„Lecker Piraten“ heißt das Buch, das Justin diesen Abend als Gute-Nacht-Geschichte ausgewählt hat. Während sich die Kinder um ihn auf dem Boden zusammenrotten und gespannt lauschen, nutzen die Eltern die zweite Auszeit an diesem Tag für eine eigene Lektüre auf dem Ebook-Reader, im mitgebrachten Buch oder Magazin. 20 Uhr. Otto, mit 17 Monaten der jüngste Teilnehmer der Gruppe flitzt auch noch umher. Als Justin gegen 20.30 Uhr allen eine „Gute Nacht“ wünscht, lächelt Ottos Papa amüsiert. „Ich glaube, ins Bett gehen meine Kinder noch nicht.“ Und tatsächlich sind noch bis zur Nachtruhe um 22 Uhr einige bekannte Gesichter draußen auf den Spielgeräten zu sehen und auch auf den Zimmern wird noch viel über den aufregenden Tag geschnackt.

Unbekannte Meere entdecken

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Der nächste Tag zeigt sich von seiner strahlenden Seite. Schon um 7 Uhr schwappen die sanften Wellen der ablaufenden Nordsee funkelnd an den Watt-Strand, der sich direkt hinter der Jugendherberge befindet. Noch ist überschwemmt, wo in gut drei Stunden nackige Füße von Schuhgröße 22 bis 45 matschige Spuren hinterlassen werden. Denn heute heißt es für die Piraten-Crew: Entdeckt fremde Meere. Das Wattenmeer nämlich!

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Begleitet werden die Familien dabei von einem, der mit einer Augenklappe auch als respektabler Seebär durchgehen würde: Albertus Akkermann. Dem Borkumer Wattwanderführer eilt inzwischen bis weit aufs Festland sein unterhaltsamer Ruf voraus, zahlreiche Medien haben in den vergangenen Jahren über ihn berichtet.

Bertus, wie er am liebsten genannt wird, empfiehlt, das Wattenmeer ohne Gummistiefel zu erkunden. Gerade an einem so schönen Tag wie heute. Die Gefahr von scharfkantigen Muscheln läge bei der von ihm ausgesuchten Route nahezu bei Null, die wohltuende Wirkung sei hingegen ein einmaliges Erlebnis.

„Du, sag mal, wie heißt Du?“. Gleich zu Beginn der Wattwanderung wird klar: Hier ist tatkräftiges Erforschen und neugieriges Mitmachen erlaubt. Mehr noch, es ist erwünscht. „Paul.“ „Okay, Paul, würdest Du was kauen?“, fragt Bertus geheimnisvoll. „Was kauen? Äh, was denn?“ Der bärtige Borkumer zupft eine Pflanze von den Salzwiesen und hält sie dem Achtjährigen hin. Der zögert, steckt sie sich dann aber doch in den Mund und beginnt zu kauen. „Liebe Leute, Paul wird nun 24 Stunden nichts mehr schmecken und die Effekte einer berauschenden Droge erleben“, sagt Bertus ernst. Große Augen bei Paul. Natürlich alles nur ein Scherz. Blog-Jugendherberge-Borkum-Familienurlaub-Piraten44

Was Paul im Mund hat, ist Wermut. Eine der unzähligen Pflanzen und Tiere der Salzwiesen, die bei Flut überschwemmt werden. Und Wermut färbt die Zunge grün, wie Paul am Ende des Experiments seiner Crew beweist.

Weiter geht’s, hinein ins Watt. Muschelsuche! Bergus erklärt der Gruppe, woran man erkennt, wo sich eine Muschel eingegraben hat und woher eine Herzmuschel ihren Namen hat. Er lässt die Kinder Muscheln suchen und ausprobieren, wie lange es dauert, bis sie sich wieder eingraben.

Biologie für Ostfriesen

Dann braucht Bertus wieder einen Freiwilligen. „Wie heißt Du denn?“, fragt er ein Mädchen. „Sag ich nicht“, antwortet dieses. „Okay, Sag-ich-nicht, traust Du Dich diesen Wurm auf Deinen Arm zu nehmen? Auch wenn Du weißt, dass er beißt?“. Das Mädchen schüttelt mit dem Kopf. „Wer traut sich?“, fragt Bertus die anderen. Klara, die Schwester von Paul, tritt nach vorn und nimmt den Wurm auf den Arm. Ja, er beißt. Nein, weh tut das nicht.Blog-Jugendherberge-Borkum-Familienurlaub-Piraten56

Auf ihrer Tour finden die Kinder auch einen toten Krebs. „Wisst Ihr, woran Ihr seht, welches Geschlecht ein Krebs hat? Alle schütteln den Kopf. „Das ist total einfach. Die Krebse haben das auf ihrem Bauch stehen. Die einen haben da ein V, die anderen ein U. V steht für Vater, das sind die männlichen. U steht für Uschi, das sind die weiblichen. Das ist Biologie für Ostfriesen.“

Spektakuläres Ende der rund zweistündigen Wattwanderung: das Schlickloch für Anfänger. Wer sich traut, kann erleben, wie schnell man im Schlick einsinkt und wie schwer es ist, wieder herauszukommen. Blog-Jugendherberge-Borkum-Familienurlaub-Piraten58

Kurz bevor die Gruppe zu ihren Schuhen zurückkommt, findet sie eine Qualle. „Viele Laien glauben, das sei eine gefährliche Feuerqualle. Das stimmt aber nicht. Das erkennt ihr an dieser braunen sternförmigen Sprenkelung, die aussieht wie eine Windrose. Wisst Ihr, was eine Windrose ist?“

Dieses Mal nicken alle. Schließlich hat Bertus es mit erfahrenen Piraten zu tun.

Zusätzlich zu den oben beschriebenen Aktivitäten erleben Teilnehmer der Piratenfreizeit auch eine Kutschfahrt, einen Sandburgenwettbewerb, einen Grillabend und vieles mehr. Das gesamte Programm findet ihr im Reiseangebot der Jugendherberge Borkum. Die Termine für 2018 werden baldmöglichst auf der Website bekannt gegeben. In den Herbstferien 2017 gibt es noch ein ganz ähnliches Format: die Herbstpiraten.

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