Nachgehorcht bei… Karl-Heinz Finkemeyer: ‚Unsere Aufgabe ist wichtiger denn je‘

 

23 Jahre lang war Karl-Heinz Finkemeyer 1. Vorsitzender des DJH-Landesverbands Unterweser-Ems. Nun wurde er durch seinen Nachfolger Dirk Hoffmann abgelöst – bleibt dem Vorstand aber weiter erhalten. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was er jetzt mit seiner freien Zeit anfängt, welche Erfahrungen er aus den vergangenen Jahren mitgenommen hat und welche Herausforderungen er für die Zukunft sieht.

Herr Finkemeyer, Sie sind jetzt seit knapp zwei Monaten nicht mehr 1. Landesvorsitzender. Was hat sich dadurch für Sie verändert?
Karl-Heinz Finkemeyer (schmunzelt): Ja, das ist in der Tat eine etwas gewöhnungsbedürftige Situation. Über einen so langen Zeitraum in dieser wichtigen Position Verantwortung übernehmen zu dürfen habe ich immer als große Ehre und als willkommene Herausforderung betrachtet. Ich habe heute Morgen meinen Terminkalender gecheckt und festgestellt, dass ich fünf, sechs Termine nicht mehr wahrnehmen muss, die ich mir aber schon eingetragen hatte. Trotzdem ist man doch noch immer mal wieder mit den Gedanken auf der Landes- und Bundesebene und fragt sich: Was ist mit diesem und jenem Projekt, was läuft da, wie geht das voran. Aber ich bin ja in der glücklichen Lage, im Vorstand des Landesverbands weiter mitarbeiten zu dürfen, und da kriege ich sicher alles zu hören – aber als 1. Vorsitzender war man halt immer an allererster Stelle dabei, das war schon schön. Da muss ich jetzt erst einmal ein bisschen mit klarkommen.

Wenn die Termine in Ihrem Kalender wegfallen, haben Sie ja jetzt mehr Zeit. Schon ein neues Hobby zugelegt?
Nein, das habe ich nicht (lacht). Ich habe als Diplom-Verwaltungswirt beim Landkreis Osnabrück einen wundervollen Beruf, den ich nicht allein tun muss, um Geld zu verdienen, sondern der mir vor allem Spaß macht. Gerade in EU-Fragen und Auslandsfragen mit unseren polnischen und französischen Partnern – da gibt es so viele Möglichkeiten, die man vielleicht jetzt auch ein bisschen ausbauen kann. Die Zeit ist eigentlich angesichts der aktuellen Lage reif, dass man das tun sollte: Es wird so viel Dummes und Falsches über Europa verbreitet, und da muss man gegensteuern. Das habe ich mir jetzt so vorgenommen, ganz bewusst zu sagen: Wir haben Europa so viel zu verdanken, wir haben überhaupt keine Berechtigung, unsere Mitgliedschaft in Frage zu stellen.

Sie waren beruflich gerade erst wieder in Polen.
Ja genau, wir waren fünf Tage in Allenstein. Dort haben wir seit 18 Jahren eine Partnerschaft, haben mehr als 14 Gemeinden aus dem Landkreis Osnabrück, die dort aktiv sind, aber auch sehr viele Vereine und Verbände wie Feuerwehr, Sport und Musik. Und dieses Mal waren wir dort mit einer Gruppe der Caritas des Bistums Osnabrück, insgesamt über 30 Leute und über 150 Jugendliche. Ich durfte da auch eine ganze Menge organisatorischer Fragen bewältigen. Die Fahrt war klasse.

Also prägt Sie das Motto der Jugendherbergen ‚Gemeinschaft erleben‘ auch abseits Ihrer Vorstandstätigkeit?
Ja, und da bin ich sehr dankbar für.

Und auch beim DJH dürfen Sie noch weiter Gemeinschaft erleben – Sie bleiben dem Vorstand nämlich erhalten. Damit ist auch nach über 30 Jahren Tätigkeit für die Jugendherbergen noch immer nicht Schluss. Was begeistert Sie denn so sehr am DJH, dass Sie sich hier bereits Ihr halbes Leben lang engagieren?
Es ist eigentlich die grundsätzliche Herausforderung, Themen aktueller Art, aber auch Themen, die aufgrund einer 100jährigen Geschichte des Jugendherbergswerk nicht alt werden, immer wieder modifiziert oder neu bedenken zu müssen. Da gibt es viele Bereiche, die an den Zeitgeist angepasst werden müssen, ohne dass man Aussagen, Themen und Inhalte verwässert; sondern sie so weiterentwickelt, so darstellt, dass Familien, Jugendliche und Erwachsene diesen Gedanken aus der Zeit, wo das Jugendherbergsreisen auch durch Wanderschaft sehr prägend war, verstehen und für sich entdecken. Hinzu kommt die Vielfältigkeit, wie man heutzutage ein gemeinnütziges Unternehmen auch mitgestalten kann, mit allen Schattierungen positiver, aber auch negativer Art – ob das die Arbeitswelt, die Arbeitssicherheit oder der Brandschutz ist.

Es wird also nie langweilig.
Ganz im Gegenteil! Diese Abwechslung ist ja gerade das Schöne. Das war ein echtes Geschenk im Laufe dieser Jahre, Deutschland zu bereisen, die Jugendherbergen näher kennen zu lernen, die Städte kennenzulernen. Und vor allem die Menschen! Das fehlt mir auch jetzt schon am meisten, das sage ich ganz offen. Das Renommee des DJH ist ja nicht ohne – und das färbt auch ein bisschen ab auf die Personen, die da ganz bewusst mitmachen dürfen, sag ich mal. Und das ist im Grunde genommen eine große Chance, dass man über all die Jahre in so einem Kreis mitwirken durfte. Von daher ist man jetzt nicht im Verband christlicher Gebrauchtwarenhändler, wenn man das so ausdrücken möchte, sondern eben im Jugendherbergswerk (lacht).

Das müssen Sie einmal kurz erklären.
Mir geht es darum, dass wir hier eine großartige Aufgabe haben. Eine großartige Aufgabe, die es gilt, auch für die Zukunft zu machen. Die wichtiger ist denn je für die heutige Zeit, wo Leute meinen, im Abschotten, im Abkapseln, im Nicht-Hinsehen, im Bloß-nicht-ansprechen, im Nicht-Engagement den richtigen Weg für sich finden zu können. Das ist nicht die Zukunft dieser Welt, davon bin ich überzeugt. Und deshalb müssen wir uns auseinandersetzen mit allen Schattierungen und Fragen. Und genau das ist im DJH eben zentrales Thema.

Sie haben es eben schon angesprochen: Es hat sich einiges verändert. Welche wesentlichen Veränderungen haben Sie in den drei Jahrzehnten wahrgenommen, die Sie jetzt schon beim DJH sind?
Also, ich muss sagen: Ich finde die Entwicklung der Verantwortlichkeiten im Rahmen der Herbergsleitung ganz großartig. Früher hatte man die klassische Variante Herbergsvater und Herbergsmutter, und jetzt die Regionalleitungen. Unternehmer vor Ort, sozusagen, die nicht nur einen erheblichen, sondern den zentralen Beitrag überhaupt leisten für den Landesverband. Das ist der eine Punkt, und der andere ist: Dass man sich wieder besinnt auf die Entschleunigung, zum Beispiel, oder das man als Haus andere Schwerpunkte findet, die passen. Und dabei eben nicht nur den kommerziellen Gedanken vor Augen hat, sondern dass man sich bewusst entscheidet: Wir möchten unseren Gästen eine moderne Situation anbieten: Stichwort Ausstattung, Stichwort Verpflegung, und dass diese sich bei uns wohlfühlen. Das dritte ist sicherlich auch, und da ist die kommerzielle Art wieder wichtig, dass wir entscheiden, was wir uns leisten können, und was nicht. Zu erkennen, dass diese flächendeckende Abdeckung, wie man sie noch von früher kennt, so nicht mehr leistbar ist, das ist auch eine Veränderung der Zeit. Hier einen vernünftigen Mittelweg zu finden, um alle auch mitzunehmen – das ist schon eine Kunst. Durch die Strukturreform in unserem Landesverband ist uns das, meiner Meinung nach, aber auch gelungen.

Die Erfahrung, Häuser schließen zu müssen, war sicher auch eine schmerzhafte Erfahrung.
Ja, das war es. Das ist nicht so ganz einfach gewesen, und das hat sicher auch bei dem einen oder anderen Unverständnis hervorgerufen. Da ist die Vereinbarung auf Landesebene aber auch so fordernd, dass wir solche Beschlüsse umsetzen mussten.

1993 wurden Sie zum 1. Vorsitzenden des Landesverbands Unterweser-Ems gewählt. Erinnern Sie sich noch an die Ziele, die Sie sich damals gesetzt haben?
Naja, das war damals eine Zeit des erheblichen Umbruchs. Wir hatten in dem Jahr mehrere Vorstandswahlen, weil alles nicht so funktionierte, wie man sich das gewünscht hatte. Und in dieser Zeit wurde ich dann von der Mehrheit gewählt. Zu dem Zeitpunkt war ich auch einer der Jüngeren. Da ging es mir eigentlich darum, die Verärgerungen, die entstanden sind, auszugleichen; auch Unruhe, die in die Abläufe gekommen ist, zu beruhigen. Es ging uns auch finanziell überhaupt nicht gut, das war eine Talsohle, die wir durchschreiten mussten. Aber wir haben das gemeinsam mit dem Vorstand sehr gut hinbekommen und waren dann auch dankbar, dass Herr Richter sich bereit erklärt hatte, die Aufgabe des Geschäftsführers zu übernehmen – da sind wir natürlich super mit gefahren und haben ihm viel zu verdanken.

Gibt es denn eine Entwicklung in der Zeit, in der Sie 1. Vorsitzender waren, über die Sie besonders froh sind?
Vor allem bin ich froh darüber, dass wir eine insgesamt positive Entwicklung nehmen durften im Rahmen unserer Wirtschaftskraft und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dafür bin ich wirklich dankbar, dass wir ohne große Probleme ganz schwierige persönliche und personelle Fragen lösen konnten. Dass wir intern Lösungen gefunden haben. Und das wirkt sich ja auch auf Ergebnisse des Gesamtverbands aus. Natürlich gab es auch mal Meinungsverschiedenheiten. Aber ich habe nie festgestellt, dass es nicht zu vernünftigen Lösungen gekommen ist. Da freue ich mich drüber. Und natürlich, dass wir viele gute Projekte ins Leben gerufen und vorangebracht haben. Zum Beispiel die Häuser an der Küste, die wir renoviert oder neugebaut haben. Da bedarf es eines langen Atems zum Teil. Meine gesamte Zeit als Vorsitzender habe ich wirklich sehr positiv in Erinnerung.

Damit sprechen Sie schon die Zukunft an. Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie da für die nächsten Jahre?
Ich wünsche mir einfach, dass wir uns auf Bundesebene ehrlich begegnen im Rahmen der Gemeinsamkeiten. Wir haben diese Einkaufskooperation, die sehr gut läuft und diesen Gedanken gut unterstützt, und es gibt eine ganze Reihe von Feldern, wo man noch stärker zusammenarbeiten kann, zum Beispiel im Bereich Bau. Da gibt es eine ganze Reihe Möglichkeiten für Synergieeffekte, und dafür bedarf es eben, dass man selbst als Landesverband vielleicht auch mal zurücktritt. Das wünsche ich mir eigentlich: Dass man sich als Landesverband mehr auf den anderen einlässt und ihm vertraut und dadurch das Jugendherbergswerk im Gesamten sicherlich bestärken wird.

Wünsche sind ein gutes Stichwort. Welche geben Sie Ihrem Nachfolger Dirk Hoffmann mit auf den Weg?
Ich wünsche ihm viele kreative Ideen und weiterhin einen guten Ausbau in seinen hervorragenden Kontakten. Ich wünsche ihm auch, dass er immer Geduld hat, und dass er mit Herrn Richter gemeinsam eine wichtige Rolle auf Bundesebene für unseren Landesverband darstellen wird. Ich freue mich, dass hier ein Generationswechsel stattfindet, und dass wir dadurch gut für die Zukunft aufgestellt sind.

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