Mühlen: Ein Kulturgut, direkt vor der Haustür der Jugendherbergen
Für uns Norddeutsche gehören sie beinahe zum alltäglichen Bild: Mühlen. Sie stehen in Ortszentren und entlang der Landstraßen; und meistens stehen sie still, denn waren Mühlen über Jahrtausende essenziell, gibt es heute nur wenige, die wirklich noch zur Produktion genutzt werden. Aber: Viele Mühlen werden noch immer gepflegt und können auch besichtigt werden – und die Geschichten dahinter sind superspannend. Wir haben uns mal in einem alten Galerieholländer nahe dem DJH Resort umgeschaut.
Die Holztreppe knarzt bei jedem Schritt. Vorsichtig taste ich mit meinen Füßen nach der nächsten Stufe, die Hand fest am Geländer. Über mir sehe ich durch ein schmales Rechteck in die erste Etage der Seriemer Mühle, einem Galerieholländer nur ein paar Minuten vom DJH Resort in Neuharlingersiel entfernt. Die Windmühle sah schon aus der Ferne beeindruckend aus, und die Tür stand offen, also bin ich kurzerhand einfach mal hindurch geschlüpft. Und weil die Neugier mich treibt, klettere ich jetzt diese Treppe hinauf, diesen schmalen, knarzenden Aufstieg.
Es riecht nach Holz, altem Holz; und sofort fühle ich mich zurückversetzt in eine andere Zeit, die ich nur aus den Geschichtsbüchern kenne und die nichts mehr mit der Welt da draußen zu tun hat, von der man jetzt nur noch das Rauschen der Autos hört, die an der Mühle vorbeirasen.
Mühlen – das muss ich gestehen – haben mich bislang nicht besonders interessiert. Sie existieren, vor allem hier, in Ostfriesland, und sie sehen gut aus, keine Frage. Aber was steckt eigentlich hinter den Prachtbauten? Wie wurde hier früher gearbeitet? Und warum stehen die meisten Räder der Mühlen heute still?
Eine Geschichte, die sich weiterdreht
Um der Geschichte der Mühlen auf die Spur zu kommen, muss man weit zurückblicken. Denn die Technik wurde bereits vor Tausenden von Jahren genutzt. Manche sehen die Ursprünge sogar in der Steinzeit: Dort haben die Menschen getrocknetes Getreide auf einen Stein gelegt und dann mit einem anderen Stein mithilfe drehender Bewegungen zerdrückt – also in etwa so, wie man es auch heute noch beim Mörsern tut. Doch um größere Mengen zu verarbeiten, war die Methode zu aufwendig, langwierig und kraftraubend. Vor mehr als 7000 Jahren kam deshalb die Idee auf, größere Steine zu nutzen: einen sogenannten Bodenstein, der auf dem Grund lag; und – ein paar Millimeter darüber beweglich an einer Eisenstange befestigt – einen Läuferstein. Über einen Trichter gab der Müller Körner in ein Loch in der Mitte, die sich dann im Spalt zwischen den beiden Steinen verteilten, und bewegte anschließend den Läuferstein, sodass die Körner zerrieben wurde. Das Mehl, das dadurch zum Beispiel entstand, fing er mit einem Kasten auf.
Doch auch diese Arbeit war mühselig, sodass man damit anfing, Tiere einzuspannen: Kühe, Esel, sogar Kamele liefen im Kreis und drehten dabei den Läuferstein. Und vor etwas mehr als 3000 Jahren dann kam man in Asien auf die Idee, die Kraft der Natur zu nutzen: zunächst Wind, und vor etwa 2000 Jahren folgten die Griechen mit ihren Wassermühlen. Durch die Römer kam das Wissen nach Deutschland, und tatsächlich setzten sich zuerst die Wassermühlen durch: Überall an Flüssen und Bächen wurden sie gebaut. Später dann kamen die Windmühlen dazu. Sie wurden zur Verarbeitung von Getreide, aber auch zum Zersägen von Holz, zum Schleifen von Steinen, zur Pressung von Öl, zur Bohrung und zum Transport und zur Herstellung von feinen Gewürzen und Senfen genutzt.
Ganz nah dran: Die Seriemer Mühle
Die vielen Mühlen, die es auf der Welt gibt, sind auch in der Seriemer Mühle abgebildet: Auf großen Plakaten hängen sie an den Wänden des Gebäudes, das 1804 errichtet wurde. Die Jahreszahl habe ich außen an der Mühle gefunden, denn dort steht in die steinerne Wand geschrieben:
„C.S. Willems und V. Klassen
haben diesen Mullen bauen lassen
genant De Goede Verwagting“
De Goede Verwagting ist der Name der Mühle und kommt – typisch für einen klassischen Galerieholländer – aus dem Niederländischen. Die Holländerwindmühle im Allgemeinen ist die modernste Form der Windmühle, die die bis dahin gängige Bockwindmühle (von denen es in Norddeutschland noch immer einige gibt) verdrängt. Wurde sie in Holland vor allem für Bohrungen genutzt, setzte sie sich in Deutschland als Modell zur Getreidegewinnung ab dem 16. Jahrhundert durch. Das besondere: Die sogenannte Kappe, also der Teil, an dem die Flügel befestigt sind, lässt sich drehen; die Flügel – die bei der Seriemer Mühle weiß und grün sind – können also nach der Windrichtung ausgerichtet werden.
Nun bin ich neugierig geworden, und klettere eine noch schmalere Treppe nach oben. 16 Stufen sind es, und sie knarzen, nicht unheimlich, sondern eher behaglich. Ich schaue durch die Luke in den Raum, und traue meinen Augen kaum: Riesige Zahnräder aus Holz greifen hier ineinander, zwischen den dicken, alten Holzbalken, die kreuz und quer durch den Raum verlaufen.
Jetzt stehen sie still, aber immer mal wieder finden hier auch Mahl- und Pellvorführungen angeboten. Für den guten Zustand zeichnet der Mühlenverein verantwortlich, der 2002 gegründet wurde und die Mühle anschließend von 2003 bis 2009 für mehr als 400.000 Euro restauriert und funktionsfähig gemacht hat. Bis 1975 wurde sie noch gewerblich betrieben, danach stand sie jahrzehntelang still.
Mühlen: Noch immer wichtig
Ein Schicksal, das viele Mühlen teilen. Waren die Prachtbauten einst eine der wichtigsten Maschinen für die Menschen, wurden sie im 18. Jahrhundert nach Erfindung der Dampfmaschine und vor allem im 19. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung immer überflüssiger, weil es schnellere und effektivere Anlagen gab. Ende des 19. Jahrhunderts existierten noch mehr als 70.000 aktive Mühlen, 1950 noch 19.000. Und heute? Werden laut dem Verband Deutscher Mühlen nur noch 550 aktiv betrieben – und die meisten darunter sind nicht klassische Galerieholländer, wie man sie hier im Norden kennt, sondern eher industrielle Mühlen. Sie vermahlen jedes Jahr mehr als acht Millionen Tonnen Getreide. Im Norden versorgt eine Mühle im Schnitt knapp 552.000 Menschen.
Ganz schön spannend, oder? Das Schöne ist: Viele Mühlen könnt Ihr hier bei uns im Norden aus direkter Nähe betrachten. Manche sind zwar im Privatbesitz und deshalb nur von außen zu sehen. Andere aber wurden zu Museen umgewandelt oder stehen Besuchern dank engagierter Mühlenvereine offen. Vielerorts wird dort am Pfingstmontag auch ein großes Fest gefeiert, denn immer am Pfingstmontag ist der bundesweit organisierte Deutsche Mühlentag.
In der Region Bremen und Niedersachsen könnt Ihr dabei so viele verschiedene Mühlentypen wie sonst in keiner anderen Region Deutschlands sehen. Dafür hat die Mühlenvereinigung eigens eine sogenannte Mühlenstraße festgelegt, also eine Route, an der Ihr entlang wandern oder fahren und dabei jede Menge der regionalen Wahrzeichen entdecken könnt.
Wir haben mal ein bisschen recherchiert und geguckt, in welcher unserer Jugendherbergen Ihr übernachten könnt, um auf einer der Mühlenstraßen möglichst viele Exemplare zu entdecken:
Mühlenstraße Landkreis Wesermarsch
Wenn Ihr in unserer Jugendherbergen Nordenham oder in der Jugendherberge Hude übernachtet, dann ist diese Mühlenstraße perfekt für Euch: Sie verbindet insgesamt sechs Mühlen miteinander. Von der Wassermühle Hude aus geht es über die Motormühle Berne über Mühlen nahe Ovelgönne, Nordenham und Burhave bis zur Seefelder Mühle von 1835. Oder Ihr fahrt die Mühlenstraße im Landkreis Oldenburg mit 14 weiteren Mühlen zwischen Hunde und Wildeshausen ab.
Hier gibt es mehr Infos zur Mühlenstraße Wesermarsch!
Und hier gibt es die Route im Landkreis Oldenburg zu sehen.
Mühlenstraße Landkreis Emsland
Ganze 20 Wind-, Wasser- und Motormühlen findet Ihr im Emsland – also in direkter Nähe zu unserer Kulturjugendherberge Meppen, der Jugendherberge Lingen und der Jugendherberge Bad Bentheim.
Mühlenstraße Landkreis Ammerland
Natürlich, das Ammerland ist bekannt für seine vielen Windmühlen. Zu Fuß gerade einmal eine Viertelstunde von der Jugendherberge Bad Zwischenahn entfernt, steht beispielsweise eine große Windmühle. Sie wurde 1811 gebaut. Der funktionsfähige zweistöckige Galerieholländer hat eine Getreidemühle und eine Ölquetsche – und wenn Ihr wissen wollt, wie die Mühle von innen aussieht und wie sie funktioniert, könnt Ihr von April bis September direkt vor Ort Am Hohen Hagen vorbeischauen. Täglich ist sie von 14 bis 18 Uhr geöffnet, samstags und sonntags sogar von 10 bis 18 Uhr. Und das beste: Bei gutem Wetter wird der Mahlgang betätigt!
Darüber hinaus gibt es acht weitere Mühlen im nahen Umfeld zu sehen. Die jüngste dabei ist wohl die Rügenwalder Mühle, die Ihr bestimmt vom gleichnamigen Fleischunternehmen aus den Fernsehspots kennt. Sie wurde erst 2012 errichtet. Bis dahin gab es das berühmte Logo nämlich nur auf Papier. Sie mahlt kleine Mengen Salz, ist aber vor allem als Veranstaltungszentrum gedacht. Und keine Sorge – sie hat, anders als das bekannte Logo, keine Fleischwurstflügel.
Mühlenstraßen Ostfriesland
Ganz egal, in welchem unserer Häuser in Ostfriesland Ihr unterkommt: Mühlen werdet Ihr auf jeden Fall sehen. Ob Jugendherberge Aurich, Esens-Besnersiel oder Leer, unsere DJH-Resort Club-Jugendherberge in Neuharlingersiel, die Jugendherberge in Jever oder in Emden – sie alle liegen nahe der großen niedersächsischen Mühlenstraße. Am besten, Ihr macht Euch hier selbst ein Bild und schaut, welche der Mühlen Euch am meisten interessieren und wo Ihr dafür unterkommen könnt.
Selbstverständlich war das noch nicht alles! Wir wollten Euch nur einmal einen kleinen Eindruck vermitteln, von welchen unserer Jugendherbergen es sich am besten auf Mühlen-Erkundungstour gehen lässt. Schaut einfach auf der Website der Niedersächsischen Mühlenstraße der Mühlenvereinigung Niedersachsen-Bremen e.V. vorbei und lasst Euch inspirieren. Viele Hintergrundinfos zu den einzelnen Mühlen findet Ihr bei der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung e.V., die eine tolle Übersicht erstellt hat. Sie stellt bei vielen Mühlen auch Kontaktdaten zur Verfügung: Organisatoren von Klassenfahrten und anderen Gruppenreisen gelangen so direkt an Ansprechpartner für individuelle Führungen zur Mühlengeschichte.
Für Spontanentschlossene: Am Montag, 16 Mai, findet wie jeden Pfingstmontag der Deutsche Mühlentag statt. Wo er wie gefeiert wird, lest Ihr auf der Website der Veranstaltung.
Wir wünschen Euch viel Spaß bei Eurer Mühlentour – und freuen uns, Euch bald mal in einer unserer Jugendherbergen kennenzulernen!
Grafiken:Ai??Mühlenvereinigung Niedersachsen-Bremen e.V.
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