AUF KLASSENFAHRT: Wie Lehrer die Reisen erleben

Jugendherberge Paderborn

Für die einen die wohl schönste Zeit des Schuljahres, für die anderen die anstrengendste Arbeitswoche des Halbjahres: Wie Schüler und Lehrer Klassenfahrten erleben, könnte unterschiedlicher kaum sein. Wir wollten genauer wissen, was es bedeutet, eine Horde unternehmungslustiger Kids fernab von zuhause hauptverantwortlich zu betreuen, und haben drei LehrerInnen gefragt, wie sie die Vorbereitung auf eine Schulreise gestalten und die Fahrten erleben. Und ob sie der Meinung sind, dass Klassenfahrten überhaupt notwendig für das Schulleben sind.

 

MAREN: „Enormer Entwicklungsschub für Grundschüler!“

unterrichtet Klasse 1 bis 4 an einer Grundschule in Niedersachsen

unterrichtet Klasse 1 bis 4 an einer Grundschule in Niedersachsen

Schon Grundschüler fahren heutzutage auf Klassenfahrt – und für einige ist das die erste Reise überhaupt ohne ihre Eltern. Maren gehört zu den Menschen, die sich in dieser besonderen Zeit um das Wohlergehen von Dritt- oder Viertklässlern kümmert: Sie ist Lehrerin in einer niedersächsischen Grundschule. Und damit eine der Personen, denen Eltern vertrauen müssen. „Mir fällt durchaus auf, dass bei Müttern und Vätern bei älteren KollegInnen das Loslassen noch immer leichter fällt als bei mir“, berichtet die 33-Jährige. Dabei kann Maren inzwischen auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen: Sie war bereits mehrfach mit Schulklassen unterwegs, in Prinzhöfte bei Delmenhorst, Worpswede, Wingst und Lüneburg beispielsweise. „Bei den ersten drei Klassenfahrten bin ich als Assistenz mitgefahren und musste noch keine Verantwortung tragen. So macht man es eigentlich immer mit Referendaren und Berufseinsteigern.“

Unmengen Papierkram

Seit einigen Jahren plant sie Klassenfahrten nun eigenverantwortlich und steckt bereits in die Vorbereitung eine Menge Energie. „Wahnsinnig viel Zeit kosten all die Formulare, die es auszufüllen gilt“, schildert die Grundschullehrerin. „Das fängt bei meinem Aktivitätenplan für die Woche an, der einen Themenschwerpunkt möglichst facettenreich behandeln muss und der vom Schulamt geprüft wird. Aber es gibt noch viel anderen Papierkram: Muss ich einen Inklusionsassistenten mitnehmen? Gibt es Medikamente oder Allergien bei den Schülern, die ich berücksichtigen muss? Für wen sind wo Unterstützungsgelder zu beantragen? Es ist wirklich viel zu tun, daher sollte man gerade als Anfänger ungefähr ein Jahr im Vorfeld mit der Vorbereitung beginnen.“ Neben den Formalitäten kümmert sich Maren dann natürlich noch um die Wahl des Ortes und die Absprachen rund um Unterbringung und Freizeitgestaltung. Was die Ortswahl betrifft, hat die Niedersächsin eine klare Haltung: „Meine Klassenfahrten gehen immer in die Natur. Dort kann man die Kinder einfach laufen lassen und es gibt wenig Ablenkung. Das führt manchmal zu kurzfristiger Langeweile, die sich aber schnell in Kreativität umwandelt. Für mich ist es jedes Mal phänomenal zu beobachten, wie sich die Kinder stundenlang nach einer Wattwanderung noch selbst am Strand oder im Watt beschäftigen können.“

Auch die Frage, wie komfortabel die Jugendherberge sein soll, kann Maren eindeutig beantworten: „Für Klassenfahrten mag ich die traditionellen Jugendherbergen, in denen man noch selbst den Tisch abwischt, vielleicht sogar selbst eindeckt und das Essen in Töpfen auf den Tisch stellt. Buffets machen es beispielsweise schwer, dass alle gemeinsam anfangen zu essen, dabei finde ich diese Form von Gemeinschaft, die manche von zuhause auch nicht kennen, sehr prägend. Insgesamt bin ich ein Fan davon, wenn die Kinder vieles selbst machen müssen, denn das bringt einen enormen Entwicklungsschub mit sich.“

NORA: „Untrennbar mit Lehrerberuf verbunden!“

unterrichtet Klasse 5 bis Q2 an einer Oberschule in Bremen

unterrichtet Klasse 5 bis Q2 an einer Oberschule in Bremen

Während Maren bei ihren jungen Kindern auf ausreichend Freiraum ohne geplante Aktivitäten setzt, hat Nora erkannt, dass Ältere Jugendliche mit Freizeit nicht immer viel anfangen können. „Wenn 16-Jährige ein paar Nachmittagsstunden frei bekommen, tun sie häufig eins: shoppen“, fasst sie ihre Erfahrung aus den vergangenen Jahren zusammen. Inzwischen versucht die Englisch- und Deutschlehrerin daher, die Tage möglichst umfangreich mit sinnvollen Programmpunkten zu strukturieren.

Mit der Vorbereitung für eine Klassenfahrt beginnt auch sie ungefähr ein Jahr im Voraus. „Die Fahrten kommen ja niemals überraschend, sondern folgen einer gleichbleibenden Frequenz. Bei uns lautet sie: Klasse 5, Klasse 7, Abschlussfahrt in Klasse 10 und Oberstufen-Kursfahrt in Q1.“ Auch die Zielrichtung der inhaltlichen Gestaltung sei oft klar: „Bei der fünften Klasse dreht sich alles um Teambuilding, die Fahrt der siebten Klasse widmet sich einem Schwerpunktthema, das sich immer nach dem Klassenprofil richtet“, so Nora. Ab Klasse 9 beziehe sie dann auch bewusst die SchülerInnen selbst in die Planung ein. „Wenn die Schüler die Klassenfahrt mitgestalten, können sie sich hinterher nicht beschweren.“

Finanzielle Rahmenbedingungen

Bei der Organisation arbeitet Nora ebenso wie ihre KollegInnen gern mit Dienstleistern zusammen, bei denen sie den Transfer und die Unterbringung als Gesamtpaket buchen kann – und die noch den ein oder anderen Freiplatz bieten. „Wir Lehrer bekommen ja häufig nur einen Teil der Reisekosten erstattet und müssen gegebenenfalls selbst noch einige Euros in eine für uns durchaus anstrengende Arbeitswoche investieren. Daher freuen wir uns natürlich über Möglichkeiten, diese Ausgaben einzusparen.“ Das Thema Finanzen sei ohnehin immer wieder eines, das zu schwierigen oder kuriosen Situationen führe. „Wir müssen stets darauf achten, dass die Pro-Kopf-Kosten für Eltern erschwinglich bleiben. Dadurch ist nicht immer alles möglich, was man gern machen würde. Für Sozialleistungsempfänger gibt es zum Glück den Bremen-Pass, über den wir das Geld für Schüler beantragen können, die anderenfalls zuhause bleiben müssten. Bemerkenswerterweise wird diese Erstattung allerdings nicht direkt an die Eltern gezahlt, sondern auf das private Konto der Lehrer. Mir persönlich ist es das nie besonders geheuer. Und das Geld weiter überweisen zu müssen, ist zudem ein zusätzlicher Aufwand.“

Mit zunehmendem Alter der Schüler werden auch die Distanzen zwischen Heimatstadt und Klassenfahrtziel größer. Nora war daher in den letzten Jahren nicht nur in Deutschland unterwegs, sondern beispielsweise auch in Prag und London. „Je älter die Schüler, je größer die Stadt, desto größer die Herausforderung, der Aufsichtspflicht nachzukommen“, so die Bremer Lehrerin. „Wir klären daher immer mit den Eltern ab, ob ihre Kinder in Gruppen ohne Lehrerbegleitung unterwegs sein dürfen. Erlauben die Eltern dies, reicht glücklicherweise eine Handyerreichbarkeit aus, um unserer Aufsichtspflicht nachzukommen.“Fragt man Nora, ob sie auf Klassenfahrten lieber verzichten würde, ist ihre Antwort eindeutig: „Nein. Auf Klassenfahrt zu gehen gehört zum Beruf des Lehrers einfach dazu. Außerdem würde Schülern eine wichtige Möglichkeit genommen, sich selbst und ihr Klassengemeinschaft weiterzuentwickeln, wenn Lehrer plötzlich nicht mehr bereit wären, die Fahrten zu begleiten.“

ANDREAS: „Unverzichtbar für die Klassengemeinschaft!“

unterrichtet Klasse 5 bis 10 an einer Oberschule in Bremen

Wenn Mathe- und Sportlehrer Andreas auf Klassenfahrt geht, dann hat er durchschnittlich 80 Schülerinnen und Schüler im Schlepptau. „Zum Glück aber auch meist noch 7 andere Lehrer“, fügt er beschwichtigend hinzu. An seiner Schule unternimmt immer der gesamte Jahrgang eine Reise, das sind in der Regel vier Klassen. Die fünften Klassen fahren in ein Bremer Schullandheim, die siebten in der Regel auf eine Nordseeinsel. Die achten Klassen absolvieren dann einen Schüler-Austausch in England und für die zehnten Klassen ging es in den vergangenen Jahren immer nach Italien. „Der Schüler-Austausch der Achtklässler ist für uns Lehrer natürlich die entspannteste Form der Klassenfahrt, weil die Jugendlichen in Gastfamilien untergebracht sind und wir damit abends in der Regel irgendwann Feierabend haben. Alle anderen Fahrten bedeuten für uns, dass wir 24 Stunden am Tag rundum fit sein müssen. Die Verantwortung, die wir in dieser Zeit tragen, kostet Kraft. Gerade bei Fünftklässlern gibt es immer irgendwas zu regeln.“

Umso wichtiger erscheint es Andreas auch, sich mit den anderen Lehrkräften gut abzustimmen und jeden so einzusetzen, wie es für ihn am besten sei. Das gelte auch für den Bio-Rhythmus. „Jeder kennt das noch von eigenen Klassenfahrten: auch nach der offiziellen Bettruhe fällt noch einiges an, was Lehrer regeln müssen. Manchmal sind wir noch bis 1 Uhr nachts gefordert, die ersten Schüler sind aber um 6 Uhr früh schon wieder auf den Beinen. Da macht es einfach Sinn, dass junge Lehrer wie ich, die auch zuhause erst spät in Bett gehen, den Abenddienst übernehmen. Ältere KollegInnen können hingegen oft prima früh aufstehen, so dass sie dann hervorragend den Frühdienst übernehmen können.“ Er könne aber auch verstehen, wenn Mitglieder des Kollegiums irgendwann gar nicht mehr auf Klassenfahrt gehen wollen. „Es sind sehr anstrengende Tage, die man ab einem gewissen Altern nicht mehr spurlos wegstecken kann.“

Wenig Wertschätzung

Umso mehr würde sich Andreas über wertschätzende Gesten seitens der Eltern oder der Öffentlichkeit freuen. Die blieben allerdings fast immer aus. „Einmal habe ich am Ende einer Klassenfahrt von einer Mutter eine Blume geschenkt bekommen. Das war toll. Es täte durchaus gut, wenn so etwas häufiger passieren würde. Wenn sich die Elternschaft vielleicht zusammentäte und sich für die Lehrer eine Kleinigkeit einfallen ließe. Als Zeichen der Wertschätzung – zumal wir diese kräftezehrende Woche ja zum Teil sogar noch selbst zahlen müssen.“

Es gäbe aber durchaus auch Situationen, die ihm zeigen, wie wichtig sein Einsatz für die Entwicklung der Schüler und vor allem für den Zusammenhalt der Klasse ist. Er erinnert sich zum Beispiel an einen reifen Auftritt seines Jahrgangs auf einer Abschlussfahrt: „Da standen plötzlich alle Schülerinnen und Schüler vor uns Lehrern, um über die genaue Uhrzeit zu diskutieren, zu der sie auf ihren Zimmern sein müssen. Was mich so unglaublich beeindruckt hat, war das friedliche und demokratische Auftreten. Auf welche Weise die Gruppe zunächst ein Sprecherteam auserkoren hatte, wie kompromissbereit dieses auftrat und wie vernünftig Argumente ausgetauscht worden. Meiner Ansicht nach sind Klassenfahrten unverzichtbar. Sie sind der Rahmen, in dem selbst ein Außenseiter Teil der Gruppe werden muss und wir Lehrer auch Gelegenheit bekommen, unsere Zöglinge außerhalb des Unterrichts als Persönlichkeiten besser kennenzulernen.“

Unsere Jugendherbergen zwischen Nordsee und Sauerland haben stets ein offenes Ohr für Lehrer. Einfach direkt in dem Haus anrufen, für das Interesse besteht. Freiplätze räumen wir übrigens auch ein! Alle Schulklassenangebot im Überblick findet Ihr auf unserer Website in der Rubrik „Klassenfahrt„.

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