Hoch hinaus: So spektakulär ist die neue Kletterwand in der JH Winterberg
Eine Kletterwand direkt am Haus – davon träumt so manches Kind. In der neueröffneten Jugendherberge Winterberg ist er jetzt wahr geworden: Dort sind an der Rückseite des Gebäudes kleine bunte Griffe angebracht, die steil in knapp zehn Meter Höhe führen. Natürlich nur, wenn man sie zielsicher Stück für Stück erklimmt. Wie die allerersten Tester sie fanden – und was das alles mit Mickey Maus, Smileys und den 7 Zwergen zu tun hat – erfahrt Ihr in unserem Bericht:
Mats kann nichts sehen. Wirklich nicht. Niels Jonas steht vor ihm, fuchtelt in bester Gottschalk-Manier vor den Augen seines Kumpels herum, deutet Boxschläge an. Mats macht: nichts. Weicht nicht aus, zuckt nicht zusammen – das blaue Tuch über seinen Augen liegt eng an. Der Elfjährige geht vorsichtig einen Schritt nach vorne, tastet sich an die Wand heran, die sich im 90-Grad-Winkel direkt vor ihm zehn Meter in die Höhe schraubt. Da will er jetzt also hoch. Blind.
Es ist Mittwochnachmittag in Winterberg, die Regenwolken haben sich verzogen. Niels Jonas schaut hoch zum Dach der Jugendherberge, blinzelt gegen die Sonne. „Wow, das ist doch ganz schön hoch“, staunt er. Der Elfjährige kennt den zehn Tage älteren Mats seit der Geburt, erzählt er stolz, auch wenn er sich an die ganz frühe Zeit natürlich nicht erinnert. „Aber wir haben schon im Sandkasten zusammen gespielt und uns dann jeden Dienstag getroffen.“ Die Eltern der beiden Jungs sind schon lange befreundet, und die Siebtklässler eben auch. Die Freizeit Biken – Klettern – Rodeln ist das erste Mal, dass die beiden ohne Eltern gemeinsam auf Reisen sind.
Rodeln waren sie schon gestern, Biken heute Vormittag. Jetzt steht also das Klettern an. Manuel Vollmer erklärt, worauf die Kinder achten müssen. „Ganz wichtig: sichern“, betont Manuel, der seit vielen Jahren klettert und beim DJH-Kooperationspartner 3-6-0-Grad seit 2010 als Teamleiter arbeitet, mit erhobenem Zeigefinger. „Dafür nehmt ihr das Seil und macht Mickey Maus.“ – Mickey Maus? Die Kinder lachen, schauen dann aber doch lieber genauer hin, was das zu bedeuten hat: Manuel legt das Seil in zwei Schlaufen übereinander und zieht es durch die Ösen, die am Klettergeschirr zwischen Brust- und Bauchnabel angebracht sind.
Dann wird aufgeteilt: einer klettert, einer sichert, und einer macht „Smiley“ steht also hinter demjenigen, der sichert, und hält das Seil in einer Form, die an ein lachendes Emoji erinnert. „Wir sehen aus, wie die sieben Zwerge“, sagt einer aus der Gruppe, zeigt auf seinen Helm und grinst.
Niels Jonas steht da schon an der Wand und reckt sich dem ersten Griff entgegen. Zieht sich hoch, sucht mit dem Fuß nach Halt; greift einen bunten Ballen nach dem anderen und erreicht kurz darauf das Ende der Kletterwand. „Puh, ganz schön anstrengend“, sagt er, während er oben in den Seilen hängt und darauf wartet, langsam wieder gen Boden zu schweben. „Aber voll cool, dass wir die ersten sind, die die Kletterwand ausprobieren dürfen.“
Tatsächlich: Vor den Jungs und Mädels der Freizeit war noch niemand an der Kletterwand – außer Manuel, der in der Vorbereitung schon einmal die Seile angebracht hat.
Die Jugendherberge Winterberg ist nach einer umfangreichen Renovierung und einem schicken Anbau nämlich erst seit dem 13. April wieder geöffnet, erzählt Heike Wielgoss. Die 50-Jährige ist gelernte Hotelkauffrau und Hotelbetriebswirtin und hat schon in vielen Häusern – auch 5-Sterne-Einrichtungen – gearbeitet. 2011 wurde sie stellvertretende und ist seit Mai 2015 Hausleiterin der Jugendherberge Winterberg. Über das neue Außengelände mit Kletterwand, Soccer-Käfig und großem Spielplatz freut sie sich besonders: ‚Spannende Programmangebote für Schulklassen und Kinderfreizeiten können jetzt direkt im wahrsten Sinne des Wortes vor der Haustür starten.‘
Spannend ist es jetzt tatsächlich ganz besonders, denn Mats wird nun blind die neue Kletterwand besteigen. Der Elfjährige aus Greven ist völlig auf seinen Tastsinn gestellt und führt mit den Händen die raue Kletterwand entlang – bis er ein Gitter zu spüren kriegt. Hier will er hochklettern, die nächste Schwierigkeitsstufe. Denn es gibt zwar genügend vertikale Eisenstreben, aber nur eine horizontale in der Mitte, und die muss er erstmal erreichen. Die feuchten Hände quietschen etwas auf der blanken Metalloberfläche, und Mats stöhnt vor Anstrengung – schließlich muss er sein ganzes Körpergewicht nun erst einmal hochziehen, bevor es weitergehen kann. „Du schaffst es!“, ruft Niels Jonas. „Wir sichern dich.“
Genau so soll es laufen, meint Manuel. „Beim Klettern geht es ja generell erst einmal darum, sich zu überwinden. Seine eigenen Grenzen kennen zu lernen.“ Sich dann auch noch die Augen verbinden zu lassen, sei darüber hinaus auch eine Teambuilding-Maßnahme. „Das ist eine Kooperationsaufgabe, bei der man nicht nur auf das eigene Geschick angewiesen ist, sondern auch auf die Anweisungen der anderen“, erklärt Manuel. Vor allem aber gehe es um eines: Vertrauen.
Mats hat dieses Vertrauen: Keine Sekunde scheint er zu zweifeln. Er zieht sich hoch, kommt zu dem Teil, an dem wieder Griffe angebracht sind, ist auf sechs Metern, sieben, erreicht nun die acht. Tastet sich immer weiter vor, doch dann – zack, rutscht er ab. Das Seil geht auf Spannung, zum Glück ist er abgesichert! Aber mit der linke Hand hält er sich eh noch am Griff, also alles gut. Oben angekommen schiebt er sich die Binde von den Augen, streckt die Faust in die Höhe. „Geschafft!“, ruft er freudestrahlend.
Wieder am Boden angekommen, erzählt er den anderen, wie es ist. „Man weiß nie, wo man gerade ist“, sagt er, noch immer leicht außer Atem. „Es fühlt sich alles viel höher an.“ Ein Nervenkitzel, der ihm anscheinend gefällt, denn wenige Minuten später klettert er wieder mit verbundenen Augen die Wand hinauf. „Wenn man das einmal gemacht hat, kommt einem das normale Klettern plötzlich langweilig vor“, gibt er zu.
Langeweile kommt auf der Freizeit allerdings keine mehr auf. Am Abend gibt es in der Grillhütte ein großes Feuer. Noch einmal entspannen, bevor es morgen, am Donnerstag, wieder früh raus geht: Dann steht der Kletterpark in Winterberg auf dem Programm. Gut vorbereitet sind die Mädchen und Jungs ja: Mickey Maus, Smiley, und dann ab nach oben.
Mehr Infos zu der Freizeit Biken – Klettern – Rodeln gibt es hier. Alles, was Ihr über die Jugendherberge Winterberg wissen müsst, erfahrt ihr hier. Übrigens war Lena Kuhmann auch erst vor Kurzem in Winterberg – und ist ebenfalls geklettert. Wie das war, lest Ihr in ihrem Bericht Nerven aus Stahl.
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