Flippernd durch die Matrix

„Das Spass-Duo Ulan & Bator triumphiert mit „Wirrklichkeit“ in derNürnberger Tafelhalle

Ulanbator

Schillernder kann man Weltliteratur gar nicht auf- und einlösen: „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“, fordert die ausserirdische Bommelmütze, die gerade noch Gott war und gleich Dieter Hallervorden („Palim Palim“) sein wird, im kurz angeklickten Klassiker „Don Carlos“. Dabei ist mehr Gedankenfreiheit ja kaum möglich als beim Berliner-Kölner Comedy-Duo Ulan & Bator, bei dem die Klapsmühle am berauschenden Redefluss klappert.

Einfach unerhört und unvergleichlich, was die beiden Schauspieler Sebastian Rüger und Frank Smilgies in zehn Jahren da auf der Basis von Valentin, Godot und Ars vitalis entwickelt haben. Ihre abendfüllende „Wirrklichkeit“, jüngst mit dem Passauer „Scharfrichterbeil“ gekürt und seitdem als Satire-Heuler in der Umlaufbahn, ist Humorsprengstoff der verrücktesten Sorte.

In der Tafelhalle, Tatort ihres Nürnberger Erst-Triumphes, detonierten die Lacher. So was gibt’s nur im Theater! Der Schauspielkunst sind Ulan & Bator, die beiden mausgrauen Herrenanzüge, die sich mit dem überstülpen bunter Bommelmützen in abenteuerliche Matrix-Fantasy beamen, sowieso näher als dem abgewetzten Spassgebiet Comedy. Ungemein präzise, unverschämt albern und ungebremst absurd flippern sie durch Gedankenbahnen und führen Entgleisungen als gelebte Anarchie vor. Dass sie dabei ganz nebenbei jeder Beschreibung spotten, passt bestens ins Dada-Wackelbild. Mit Karacho knallt da der zuckende Patient bei der Vorsorgeuntersuchung über die Rampe, verändern Zauberstühle die Sprechstimmen, rast der Stillstand („Sie haben’s aber eilig!“). „Das ergibt doch alles keinen Sinn!“ sagt der eine mitten im Dialog – Scharmützel. Aber auch das ist nicht so gemeint. Sind ja eh nur „falsche Bilder“. Zwischen usbekischem Volkstanz und dem Wunsch, mehr als nur Kohlenstoff zu sein, türmen sich Fragen über Fragen; Was ist, wenn man nach Butter verlangt und damit ein Leben zerstört? Und: „Befinden sich im 5. Buch Moose oder andere Pflanzen?“

Mittendrin im prustenden Publikum Nürnbergs Schauspielchef Klaus Kusenberg. Er kennt Sebastian Rüger aus gemeinsamen Osnabrücker Tagen. Heute wird Deutschlands Humor dank Ulan & Bator in der Mongolei verteidigt. Bravours.“

Text: DIE ABENDZEITUNG/Andreas Radlmaier

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